Eine Frau mit Geheimnis
lang für dich.“
Als hätte er jedes Wort verstanden, schnaubte er, offensichtlich unzufrieden.
„Ja, ja, ich weiß. Und es tut mir leid.“ Sie sah sich um. Außer ihr hielt sich niemand im Stall auf. Nur die Pferde. Also würde man sie nicht belauschen. „Ich muss aus Petersburg fliehen, Pegasus. Vor ihm. Wenn ich hierbleibe, würde ich womöglich etwas tun, das ich bereuen müsste. Zum Beispiel würde ich ihm alles gestehen. Wenn ich in seine Augen schaue, bin ich verloren. Dann kann ich nur noch daran denken, wie gern ich ihn umarmen und seine Lippen küssen würde.“
Das beeindruckte Pegasus nicht. Er fletschte die Zähne. Dann schnüffelte er an Alex’ Taschen, auf der Suche nach Leckerbissen.
Trotz ihres Kummers brachte er sie zum Lachen, und sie zog ein Zuckerstückchen hervor. „Da hast du dein Dessert. Während ich verreist bin, wird einer der Reitknechte dich bewegen. Obwohl dir das nicht gefallen wird, was?“
Wiehernd begann er ihre anderen Taschen zu untersuchen.
„Nein, nein, jetzt gibt es nichts mehr. Wenn du so viel Zucker frisst, wirst du zu dick.“ Liebevoll streichelte sie seine Ohren und legte ihre Wange an seinen Hals. „Tut mir ehrlich leid, dass du nicht mitkommen kannst. Das verstehst du doch? Ich liebe ihn. Und ich weiß nicht, wie ich mich verhalten werde, wenn ich zu oft mit ihm beisammen bin. Deshalb muss ich davonlaufen. Wenn mein Vater mich willkommen heißt, lasse ich dich zu mir bringen, Pegasus. Auf dem Land kannst du auf wundervollen, üppigen Wiesen grasen. Du wirst einen geruhsamen Lebensabend genießen.“
Und meine Zukunft gleicht einer trostlosen Wüste.
Dominic hatte mit zwei bildschönen Gräfinnen getanzt. Aber seine Gedanken waren anderswo gewesen. Die Frau, mit der er Walzer tanzen wollte, stand am anderen Ende des Raums und trug eine Husarenuniform. Wie gern hätte er sie in ihrem hellgrünen historischen Kostüm und den Schnallenschuhen gesehen … Stattdessen musste er weitere Russinnen hofieren.
Zwei Stunden lang wanderte er mit Wolkonskij zwischen den Gästen umher. Alexandrow ließ sich nicht mehr blicken. Wahrscheinlich langweilte er sich zu Tode, weil er nicht tanzen konnte.
Nein, das stimmte nicht. Alexandra tanzte wie eine Göttin, und es war Hauptmann Alexandrow, der auf dieses Amüsement verzichtete. Das verstand Dominic sehr gut. Als Husar verkleidet, wäre es für Alexandra gefährlich, mit einer Frau zu tanzen. Die weibliche Intuition könnte ihr zum Verhängnis werden. Und das würde sie nicht riskieren.
Als das Dinner angekündigt wurde, ging er auf die Suche nach seinem Freund, Hauptmann Alexandrow. Das durfte er sich jetzt erlauben, ohne Verdacht zu erregen. Aber der junge Husarenoffizier war nirgends zu finden. Vermutlich hatte er die Party bereits verlassen. Wieso, um alles in der Welt? Und mit welcher Ausrede hatte er sich beim Gastgeber für diese Unhöflichkeit entschuldigt?
Wolkonskij stand an der Tür zum Speiseraum und plauderte mit den Gästen, die zum Dinner schlenderten.
„Welch eine wundervolle Abendgesellschaft, Fürst“, bemerkte Dominic. „Ich bin Ihnen sehr dankbar für Ihre Gastfreundschaft – insbesondere, weil Sie mir die Gelegenheit geboten haben, meine Bekanntschaft mit einigen Offizieren zu erneuern, die ich in London kennengelernt habe. Zum Beispiel bin ich Major Zass begegnet. Und dem jungen Alexandrow. Übrigens, wo steckt er denn? Ich habe ihn nicht tanzen gesehen.“
„Vor einiger Zeit hat er sich verabschiedet, weil er morgen in aller Herrgottsfrühe zu einer längeren Reise aufbrechen wird.“
„Oh, tatsächlich? Ich verstehe.“ Aber Dominic verstand gar nichts. In aller Herrgottsfrühe? Er würde Alexandra erst um halb zehn abholen, sicher nicht besonders zeitig für einen Kavalleristen, der daran gewöhnt war, bei Sonnenaufgang aufzustehen.
Was hatte Alexandra vor? Plötzlich stockte sein Atem. So sicher war er gewesen, dass sie ihm diesmal nicht entkommen würde. Nicht ohne ein klärendes Gespräch. Wie sollte er herausfinden, was sie plante?
Er betrat den Speiseraum, wo ihm eine seiner Tanzpartnerinnen zuwinkte und ihm bedeutete, bei ihr Platz zu nehmen. Höflich verneigte er sich und schüttelte den Kopf. Er suchte eine andere Dame. Schließlich entdeckte er die Fürstin Wolkonskij, die mit drei älteren Freundinnen am Tisch saß. „Darf ich mich zu Ihnen gesellen, meine Damen?“
„Selbstverständlich, Duke“, stimmte die Fürstin erfreut zu.
Beinahe war das Dinner beendet, als er
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