Eine Freundschaft im Winter
verkehrt, nicht von diesem Angebot zu profitieren? Selbst betrunken war sie vernünftig genug, um eines zu wissen: Wenn es ihr heute wie eine gute Idee vorkam, war das morgen nicht anders. Also sagte sie schlicht: »Notiert.«
Zurück an der Werkstatt kam Eric zur Beifahrerseite, machte Jill die Tür auf und half ihr herunter. Sie verlor das Gleichgewicht, und Eric fing sie auf. Wieder lachte sie los.
»Geht es dir gut?«, fragte er, doch sie lachte nur noch lauter. Er ließ sie nicht los, und sie fand sich in seiner Umarmung wieder. »Gute Nacht, Süße«, sagte er und gab ihr einen Kuss auf die Lippen. »Nimm ein Bad, und wasch das Grün von deinen Händen. Ach, kannst du diese hier mitnehmen?« Er reichte Jill die Tasche mit den leeren Bierflaschen. »Wir sollen nicht trinken und uns dann ans Steuer der dreihundertfünfundzwanzigtausend Dollar teuren Maschinen setzen. Stell dir das mal vor!« Er streckte den Arm aus, um sie noch einmal an sich zu ziehen, und Jill umarmte ihn erneut. »Du bist klasse, Jilly«, sagte er.
»Du auch, Süßer«, erwiderte sie.
Love . Liebe unter Freunden. Glück und Herzlichkeit. Keine »Nierenspenderliebe«. Einfach Freundschaft. An Freundschaft ist nichts verkehrt, dachte sie.
Sie hängte sich die Tasche mit den Bierflaschen klirrend über die Schulter und ging lachend zurück zum Zwinger, bis sie zu der Stelle kam, von der aus sie das Haus der Jones am Ende der Straße erkennen konnte. Sie setzte sich auf die Bordsteinkante, und ihre Augen schweiften zwischen dem Trailer und Mike und Cassies Haus hin und her.
Rund um den Zwinger sah es aus wie auf einer Müllhalde, während das lavendelblaue Haus ein schöner Anblick war. Innen war der Zwinger voller Haschischrauch und Mike und Cassies Haus voller Trauer.
Der Zwinger bot ihr die Möglichkeit, wie Peter Pan zu leben und niemals erwachsen zu werden, Skipisten grün einzufärben, Der Bachelor zu schauen und dabei Trinkspiele zu spielen und, ja, sogar Sex ohne Verpflichtungen zu haben. Im Haus der Jones schien es die Chance zu geben, eine Familie zu haben – aber das war wohl eher ein Traum. In ihren Ohren hallten noch Mikes Worte wider: Wahrscheinlich ist es falsch … Und dann folgte die Auflistung der Gründe, warum es sinnlos war, die Möglichkeit einer tiefer gehenden Beziehung in Betracht zu ziehen. Sie fragte sich, ob es jemals genug Platz für sie geben würde, um mehr zu sein als nur das Kindermädchen. Sie ahnte, wie sie Jahre ihres Lebens damit vergeuden würde, darauf zu hoffen und zu warten – wie ein Esel auf die Karotte, die unerreichbar vor seiner Nase baumelte. Das Haus war voll von Erinnerungen an Kate. Ihre gebrochenen Herzen waren voll von Kate. Für sie, Jill, gab es dort keinen Platz. Es war absolut dumm gewesen, es sich je erhofft zu haben.
Seufzend stand sie auf, schulterte die Tasche mit den Flaschen und ging in den Wohnwagen, in dem es Platz für sie gab. Doch als sie durch die Tür trat, fragte sie sich, was genau aus ihr werden sollte.
Während Mike die Wäsche aus dem Trockner nahm, dachte er darüber nach, wie sehr er es genossen hatte, mit Cassie und Jill beim Rodeln zu sein, und wie schön der Tag gewesen war, an dem sie gemeinsam Ski gefahren waren. Es fühlte sich so gut an, endlich wieder glücklich zu sein. Es hatte sich auch gut angefühlt, Jill zu umarmen. Irgendwie ging es vorwärts, das spürte er. Mehr und mehr wurde ihm bewusst, dass vorwärtszugehen der einzige Weg zum Glücklichsein war.
Er trug den Wäschekorb die Treppe hinauf und kippte ihn auf seinem Bett aus. Zuerst zog er die Handtücher hervor und faltete sie. Dann legte er die Wäsche zusammen. Dieses Mal räumte er den Stapel mit Kates Sachen jedoch weg. Während er ihre Kleidung einsortierte, spürte er, dass es Zeit war. Er ging hinaus in die Garage und holte drei große Plastikkisten. Langsam und behutsam nahm er die Kleider aus Kates Schrank, von denen er glaubte, dass Cassie sie eines Tage würde haben wollen. Bei jedem Stück dachte er eine ganze Weile darüber nach, wann er es zuletzt an Kate gesehen hatte: bei einer Hochzeit, bei ihrem Klassentreffen, an einem heißen Sommertag, bei Cassies Schulaufführung. Er faltete jedes einzelne Stück und legte es sorgfältig in eine Kiste. Und da er sich nicht entscheiden konnte, was Cassie eines Tages vielleicht gefallen könnte und was nicht, packte er schließlich all ihre Sachen in die Kiste. Dann zog er eine der Schubladen auf, nahm Hosen und T-Shirts heraus, fuhr
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