Eine für alle
Er ist mit einem alten Freund von mir aufgewachsen. Mein Freund hat sich aufgeregt, als der Typ vermisst wurde.«
Sie schlug mit dem Handtuch nach einer Fliege. »Ich kann's nicht leiden, wenn ich angelogen werde. Und schon gar nicht in meiner Bar.«
Ich bekam rote Wangen unter dem Sonnenbrand. »Ich hab mir gedacht, wenn ich hier reinkomme und sage, dass ich Detektivin bin, schlägt mir jemand eine Flasche Old Overholt über den Kopf.«
Vom plötzlichen Gelächter bekam sie Fältchen um die Augen. »Vielleicht mach ich das ja noch. Vor allem, wenn ich rauskriege, dass Sie mich jetzt schon wieder anlügen. Was ist denn mit dem alten Knaben passiert?«
Ich schüttelte den Kopf. »Sie wissen genauso viel wie ich. Er ist in den Sanitary Canal gefallen, aber da war er schon tot. Ich war bei Mrs. Polter und habe versucht, ein Foto zu finden, aber heute Morgen war ein Typ dort, hat behauptet, er sei der Sohn des Mannes, und hat seinen Gewerkschaftsausweis und alle Papiere mitgenommen, auf denen möglicherweise ein Foto war.«
»Hat behauptet, er sei sein Sohn?«, wiederholte sie. »Sie glauben, dass er gar nicht sein Sohn war?«
»Ich glaube nichts. Ich stelle nur Fragen. Ich hab nicht gewusst, dass irgendjemand hier in Chicago die Adresse des Sohnes hat, und selbst wenn jemand sie hatte, war er ganz schön schnell hier. Trotzdem, vielleicht hatte er einen Albtraum vom Tod seines Vaters und ist rein zufällig hergeflogen. Sie haben den Typ nicht gesehen, oder? Mrs. Polter konnte mir keine Beschreibung geben.«
»So früh mache ich nicht auf, Schätzchen. Aber wenn ich was höre, sage ich Ihnen Bescheid. Könnte sein, dass mein Vater was gesehen hat. Er hatte zwar einen Schlaganfall, aber morgens und abends sitzt er immer noch gern draußen und beobachtet die Straße, wie er das jetzt seit siebzig Jahren macht.«
Ich gab ihr meine Visitenkarte und zwei Dollar für die Biere und die Brezeln. Als ich zur Tür ging, sagte Tessie noch etwas.
»Sie sehen irgendwie nicht so aus wie eine Frau, die zulässt, dass ein betrunkener alter Onkel im Kreis herumläuft. Liegt an irgendwas in Ihrer Haltung, Schätzchen. Ich nehm an, Sie sagen die Wahrheit, wenn Sie behaupten, dass Sie Detektivin sind.« Das klang einem Kompliment so ähnlich, dass mein Schritt etwas leichter wurde. Ich deutete ein Winken an und ging hinaus in die Hitze.
Es wurde Zeit, zur Fabrik zurückzufahren und zu versuchen, die Maschinenschlosser auf dem Heimweg abzufangen, aber mein Herz hüpfte nicht gerade bei diesem Gedanken. Zwei Biere auf leeren Magen nach einem Tag in der Sonne ließen Müdigkeit aufkommen. Außerdem, wie effektiv konnte ich in meiner gegenwärtigen Verfassung sein? Wenn jemand mich angeschielt hätte, wäre ich umgekippt. Mein Verstand war nicht mehr beweglich genug für Fragen, deren Beantwortung niemand widerstehen konnte.
Ich schaltete in den dritten Gang und fuhr auf der Halsted Avenue nach Norden. Um diese Zeit ging es schneller, wenn man die Expressways mied. Auch auf der Halsted Avenue herrschte starker Verkehr; ich musste an den Ampeln dauernd schalten. Am nächsten Morgen würde ich den Cressida zurückgeben und ein Auto mieten, das richtig funktionierte.
Ich brauchte einen neuen Zugang zu Diamond Head. Ich war dort gegen eine steinharte Wand gelaufen. Irgendjemand musste mir die Türen aufmachen. Ich arbeite viel für Industrieunternehmen in Chicago. Es war möglich, dass ein dankbarer ehemaliger Klient im Aufsichtsrat von Diamond Head saß. Es war sogar möglich, dass die Inhaber, wer sie auch sein mochten, identisch waren mit denen eines anderen Unternehmens, für das ich schon gearbeitet hatte. Mr. Contreras sagte immer wieder, Diamond Head habe neue Inhaber; ich brauchte sie nur noch ausfindig zu machen. Und das war etwas, das mein vertrauenswürdiger Anwalt für mich erledigen konnte. Er hatte einen Computer und Zugang zum Lexus-System - mir fehlte beides.
Ich bog an der Jackson Street von der Halsted Avenue ab und kam in die Gegend, wo der Rest der griechischen Gemeinde von Chicago lebt. Ich war dort nur abgebogen, weil die Jackson Street die direkte Strecke zu meinem Büro ist, aber der Geruch aus den Restaurants an den Straßenecken war zu viel für mich. Es war sowieso fast fünf, zu spät, um Freeman Carter darum zu bitten, mit der Suche anzufangen. Ich setzte mich mit taramsalata und einem Teller Tintenfisch vom Grill an einen Tisch und ließ die Hitze und die Frustrationen des Tages hinter mir.
20
Legales
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