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Eine für alle

Eine für alle

Titel: Eine für alle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretsky
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waren sie solchen Aufgaben gewachsen. Verbittert stellte ich fest, dass die Adressen der Mieter - neben einem Telefon vor der Glastür aufgelistet - verschlüsselt waren. Für Privatmieter zweifellos nützlich, aber wenn man in ein Büro wollte, zum Beispiel in das von Jonas Carver, woher sollte man dann wissen, in welches Stockwerk man fahren sollte? Zum Glück hatte das Gebäude nur elf Stockwerke - das würde die Zeit, die ich zum Nachforschen brauchte, beträchtlich verkürzen.
    Um ganz sicher zu sein, wählte ich Carvers Codenummer. Niemand meldete sich. Wer sollte auch um Mitternacht hier sein?
    Ich schaute mich um, vergewisserte mich, dass ich nicht beobachtet wurde, und machte mich daran, die Schlösser zu bearbeiten. Nach einer halben Stunde fragte ich mich, ob ich im Impala kampieren und im Schlepptau des ersten Menschen, der am Morgen herkam, hineingehen sollte. Ich war außerdem versucht, die Smith & Wesson zu ziehen und die Tür aufzuschießen. Ich glaubte nicht, dass der Lärm jemanden geweckt hätte. Es war fast eins, als meine feinen Sonden schließlich die Feder im oberen Schloss lösten, was mir ermöglichte, das untere ziemlich schnell zu knacken. Das Kreuz tat mir weh, weil ich mich so lange gebückt hatte. Ich rieb es und machte Streckübungen an der Wand, um mich zu entkrampfen.
    Die Nachtbeleuchtung warf nur einen schwachen Schimmer auf die Aufzugknöpfe. Die Eingangshalle war winzig, bot etwa vier Wartenden Platz. Ich zog einen Vierteldollar aus der Tasche und warf ihn: Kopf hieß, dass ich nach oben fahren und Carver von dort aus suchen würde, Zahl, dass ich von unten anfing. Im trüben Licht konnte ich Washingtons Profil gerade noch ausmachen. Ich drückte auf den Aufzugknopf.
    Die Tür ging sofort auf. Das hieß, dass der letzte Benutzer nach unten gefahren war, ein gutes Zeichen, obwohl ich nicht im Ernst damit rechnete, jemandem zu begegnen. Als sich die Tür hinter mir schloss, sah ich an der Wand gegenüber eine Namensliste. Ich steckte den Fuß in die Tür, bekam sie auf und beugte mich hinaus, um Jonas Carvers Büronummer zu lesen. Er war im fünften Stock. Es wäre egal gewesen, ob ich unten oder oben angefangen hätte. Vielleicht bedeutete dies das Ende meiner Pechsträhne. Das Schloss an Carvers Bürotür war viel leichter zu knacken als die Eingangstür. Das war gut so, denn mein Rücken protestierte, als ich mich darüberbeugte, um daran herumzuspielen. Ich ging in die Knie, versuchte, eine angenehme Arbeitsstellung zu finden, und schaffte es in etwa fünf Minuten, den Riegel zurückzuschieben. Carvers Büro ging auf die Luftschachtseite des Gebäudes hinaus. Keine Lichter von Straßenlampen fielen herein. Das einzige Licht im Raum kam von einem stetig blinkenden Cursor in der Mitte. Ich tastete mich darauf zu, fand den Schreibtisch, auf dem der Computer stand, und fummelte herum, bis ich einen Lampenschalter fand. Wie kam es nur, dass ich die Taschenlampe vergessen hatte?
    Der Raum, der in der Dunkelheit riesig gewirkt hatte, schrumpfte im Lampenlicht beträchtlich zusammen. Außer dem Metallschreibtisch mit dem Computer befanden sich in dem Raum zwei Aktenschränke und ein Tischchen mit einer elektrischen Kaffeemaschine. Eine Tür auf der anderen Seite führte in einen zweiten Raum, vermutlich Mr. Carvers Büro. Der Schreibtisch dort war mit imitiertem Holz furniert; ein nachgemachter chinesischer Teppich bedeckte einen Teil des Bodens. Auch Carver hatte einen betriebsbereiten Computer.
    Zweifellos warteten hinter dem blinkenden Cursor Informationen über die Firmen, die Carver vertrat, und konnten mit dem richtigen Befehl abgerufen werden. Computerbedienung war nicht meine starke Seite; es würde mühsam werden, den richtigen Befehl herauszubekommen. Ich versuchte stattdessen, in den Aktenschränken Schriftliches aufzutreiben, aber sie schienen Steuergesetzen und Regierungsrichtlinien über die Führung von Kapitalgesellschaften vorbehalten zu sein.
    Ich fand außerdem ein Computerhandbuch. Zähneknirschend schlug ich es auf und begann mit der Lektüre.
    Etwa eine halbe Stunde später meinte ich, ich wisse jetzt genug, um es wenigstens zu versuchen. Ich verneigte mich höflich vor dem Computer und bat ihn artig um ein Inhaltsverzeichnis. Die Maschine gehorchte mit einem Tempo und einer Gründlichkeit, die mich total verwirrten. Eine Zeile unten auf dem Schirm fragte, was ich wolle -nachschlagen, eingeben, ausdrucken, speichern, löschen -, und blinkte unverschämt, als ich

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