Eine für vier 01 - Eine für vier
unterkühlt, überzeugte damit aber keine von ihnen, dass sie im Augenblick noch ein anderes Leben hatte.
Natürlich tauchte Bailey pünktlich auf die Minute auf, als Tibbys Schicht zu Ende war.
»Wie geht’s denn so?«, fragte Bailey, als wären sie die besten Freundinnen.
Tibby spürte noch die Stunden unter den Leuchtstoffröhren, die ihr das Gehirn ausgedörrt hatten. »Ich sterbe langsam vor mich hin«, sagte sie. Im selben Augenblick bereute sie ihre Worte schon wieder.
»Na, dann komm«, sagte Bailey und hielt die Kamera hoch. »Wir haben keine Zeit zu verlieren.«
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Als ihr Brian McBrian vorgestellt wurde, wusste Tibby gleich auf Anhieb, dass sie hier richtig war, um Spott und Hohn auszugießen und ein wahres Schlachtfeld zu veranstalten. Er war die Karikatur der Karikatur eines Versagers. Seine Haut war so weiß-bläulich wie fettarme Milch und er war mager und teigig zugleich. Er hatte zusammengewachsene Augenbrauen, fettige Haare in der Farbe von Hundekacke, seine Zahnklammer sah aus, als wäre sie mit Moos bewachsen, und er spuckte beim Sprechen. Bailey hatte eine gute Wahl getroffen, das musste ihr der Neid lassen.
Er war schon eifrig mit dem Dragon Master zugange, während sie für das Interview alles aufbauten. Tibby sah Bailey zu und musste ihr widerwillig Bewunderung dafür zollen, wie sie das Mikro an einem provisorischen Mikrofongalgen anbrachte. Mit den ganzen Hintergrundgeräuschen im Laden und davor konnte man ohne ein Richtmikrofon kein vernünftiges Interview durchführen. Hatte Bailey so etwas wirklich noch nie gemacht?
Tibby legte damit los, die Umgebung einzufangen. Sie fing mit einer Großaufnahme von einem kokosbestreuten Hostess- Marshmallow an, das in einem unnatürlichen Pink erstrahlte, und schwenkte dann über einen Zeitungsständer mit Boulevardblättern, die mit großen Schlagzeilen die außerirdische Herkunft des Babys der Glücksrad-Assistentin Vana White verkündeten, zu einer Theke mit Snacks. Ohne die Kamera abzusetzen, schloss sie mit einer Aufnahme des Verkäufers hinter der Theke. Er schlug die Hände vors Gesicht, so als wollte Tibby für eine Verbrauchersendung investigativen Journalismus betreiben. »Kamera aus! Kamera aus!«, bellte er.
Als sie mit der Kamera zum Eingangsbereich schwenkte, fing sie Baileys lachendes Gesicht mit ein. Sie filmte Brian von hinten, nahm seine Schulterblätter auf, die in heftige Bewegung gerieten, wenn er mit Drachen kämpfte. Dann stellte sie die Kamera aus, um das Interview vorzubereiten. »Bist du so weit?«, fragte sie.
Brian drehte sich um. Bailey richtete das Mikro auf ihn aus. »Kamera läuft«, warnte sie ihn.
Er zierte sich nicht, wurde nicht steif und hielt auch nicht den Kopf schräg, wie es viele Leute vor einer Kamera machen. Er sah ihr einfach nur voll ins Gesicht.
»Also, Brian, wir haben gehört, dass du hier im Seven-Eleven ein richtiger Stammgast bist.« Tibby ging davon aus, dass wahrhaft bescheuerte Leute sarkastische Töne nicht mitbekamen.
Er nickte.
»Wann bist du denn immer da?«
»Äh, meistens so von eins bis elf.«
»Macht der Laden tatsächlich um elf zu?«, fragte Tibby und konnte nicht verhindern, dass ihr Mund sich zu einem Grinsen verzog.
»Nein, aber dann muss ich zu Hause sein«, erklärte er.
»Und während des Schuljahrs?«
»Wenn Schule ist, komme ich von drei bis fünf hierher.«
»Aha. Und keine sonstigen Unternehmungen nach der Schule?«
Offenbar hatte Brian erfasst, worauf sie mit der Frage hinauswollte. Er wies durch die Glasfront des Ladens zum Parkplatz hinaus. »Die meisten Leute leben dort draußen«, sagte er. Dann zeigte er auf das Videospiel. »Ich lebe hier drin.« Er klopfte an das Glas des Bildschirms.
Seine Offenheit und sein unverwandter Blick brachten Tibby leicht aus der Fassung. Sie hatte sich vorgestellt, dass sie auf jemanden wie Brian einschüchternd wirken würde.
»Dann erzähl uns doch vom Dragon Master« , bat sie und hatte dabei das Gefühl, einen Rückzieher zu machen.
»Ich zeig’s dir«, sagte er und steckte zwei Vierteldollar-Stücke in den Schlitz für den Geldeinwurf. Es war klar zu erkennen, dass er nur deshalb in das Interview eingewilligt hatte.
»Die erste Runde spielt im Wald, und zwar im Jahr vierhundertsechsunddreißig nach Christus. Die erste große Expedition macht sich auf die Suche nach dem Heiligen
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