Eine für vier 01 - Eine für vier
schwarzen Hemd mit Kragen zu. Sie schüttelte ihre üppige Mähne, die noch sauber war, nachdem sie sich gestern Abend die Haare gewaschen hatte. Sie befestigte große silberne Ohrringe an ihren Ohrläppchen.
Sie legte ihrer Mutter einen Zettel auf den Küchentisch. Als sie zur Tür sauste, hörte sie das Telefon klingeln. Wie sie auf dem Display erkennen konnte, war es Mr Brattle. Sie ließ es bis zum Ende klingeln. Heute würde sie ihn nicht quälen.
Sie fuhr mit dem Bus zum Flughafen. Dort holte sie sich ein teures Ticket für den Hin- und Rückflug ab, das sie gestern mit der Kreditkarte ihres Vaters »für Notfälle und Bücher« gebucht hatte.
Über drei Sitzplätze ausgestreckt, verbrachte sie den zweistündigen Flug nach Charleston in friedlichem Schlummer und wurde nur für den Imbiss wach. Diesmal aß sie den Apfel auf.
Auf dem internationalen Flughafen von Charleston las sie ein paar Zeitschriften und schlug damit ein bisschen Zeit tot. Dann nahm sie ein Taxi zur Episkopalkirche in der Meeting Street. Diesmal sahen die immergrünen Eichen und die Pekannussbäume mit den Hängebärten schon richtig schön vertraut aus.
Sie traf wenige Minuten vor Beginn der Trauung ein. Die Platzanweiser waren schon fertig damit, ihre Plätze anzuweisen, und die Hochzeitsgesellschaft war zwischen riesigen Sträußen aus lila und weißen Blumen verteilt. Carmen schob sich unerkannt in die hinterste Reihe, die im Halbdunkel lag. Sie entdeckte zwei ihrer Tanten in der zweiten Reihe. Ihre Stiefgroßmutter, die niemand leiden konnte, saß neben den Tanten. Abgesehen von ihnen kannte Carmen keinen einzigen Gast auf der Seite vom Mittelgang, auf der die Gäste ihres Vaters saßen.
Es war traurig, dass Paare offenbar nur als Paar Freunde hatten und sie alle verloren, wenn sie kein Paar mehr waren.
Mit einem Mal erschien ihr Vater am Seiteneingang, hoch gewachsen und in einem Smoking, in dem er sehr vornehm aussah. Paul, angetan mit einem identischen Smoking, stand neben ihm. Carmen begriff, dass er als Trauzeuge fungierte. Sie wartete darauf, dass ihr die Galle hochkam, aber das war nicht der Fall. Es war Paul anzusehen, wie ernst er seine Rolle als Trauzeuge nahm. Mit ihrer gleichen Größe und den hellen Haaren passten die beiden gut zusammen. Sie wusste, dass ihr Vater großes Glück hatte.
Der Brautmarsch setzte ein. Als Erste kam Krista. In ihrem Kleid sah sie wie ein Stück Konfekt aus. Carmen befand, dass sie nett aussah. Ihre Haut war so hell, dass sie leicht bläulich schimmerte. Die Musik legte an Lautstärke zu, eine dramatische Pause verstrich und dann tauchte Lydia auf.
Eine Hochzeit hatte was. Es spielte keine Rolle, dass Lydia über vierzig war und ein albernes Kleid trug. Während sie anmutig durch den Mittelgang schritt, war sie wie umgewandelt, und Carmen war so gerührt, wie es in einer solchen Situation sein sollte. Lydias Lächeln war das perfekte Brautlächeln, schüchtern, aber sicher. Ihr Vater heftete den Blick auf seine Braut und weidete sich an ihrer Perfektion. Als sie bei ihm angelangt war, bildeten die vier Familienmitglieder einen engen Halbkreis am Altar.
Es versetzte Carmen einen kurzen Stich, die Familie so gruppiert zu sehen. Sie wollten dich dabeihaben. Du hättest dabei sein sollen.
Carmen ließ sich vom Fiedeln des Cellisten, dem Duft der Kerzen und dem eintönigen Sprechen des Geistlichen hypnotisieren. Sie vergaß, dass sie die Tochter des Bräutigams war und ihre Kleidung nicht hierher passte. Sie verließ ihren Körper und flog zur gewölbten Decke hinauf, ganz hoch, sodass sie alles sehen konnte, das Gesamtbild.
Erst beim Verlassen der Kirche fand der Blick ihres Vaters ihre Augen und zog sie von der Decke wieder in ihren Körper hinab. Sein Gesichtsausdruck bewirkte, dass sie auch ganz gerne darin blieb.
Diana brachte es fertig, in der Camp-Küche ihren Schokoladenkuchen zu backen. Ollie wollte ihr den Rücken massieren. Emily bot Bridget ihren Discman an.
Sie machten sich Sorgen um sie. Bridget hörte sie flüstern, wenn sie dachten, dass sie schlief.
Am nächsten Abend ging sie mit ihnen zum Essen, einfach nur deshalb, weil sie die Nase voll davon hatte, wie die anderen um sie herumgluckten und ihr Carepakete brachten. Unter ihrem Bett vergammelten haufenweise Esswaren.
Nach dem Essen kam Eric vorbei und fragte sie, ob sie mit ihm einen Spaziergang machen wollte. Das überraschte sie, weil dieses Angebot von dem Mann kam, der sich nicht erwischen lassen wollte. Sie sagte
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