Eine ganz andere Geschichte
von Sylvenius bekommen.«
Gunnar Barbarotti schaute auf die Uhr. »Kann der passende Abschluss einer Arbeitswoche werden«, sagte er.
Die Wohnung war nicht groß, und sie fanden sie sofort.
Im ersten Bruchteil der ersten Sekunde fühlte Barbarotti eine Art pervertierten Triumph. Wir hatten recht! Sie war es! Wir waren auf der richtigen Spur!
Dann spürte er nur noch Ekel und Ohnmacht. Anna Eriksson, 34 Jahre alt, alleinstehend und angestellt im Werbebüro Sfinx in der Fabriksgatan, hatte sich auf keinen Urlaubstrip nach Gotland begeben. Und auch sonst nirgendwohin. Sie lag unter ihrem Bett in ihrer Wohnung in der Skolgatan 15, sie war in zwei schwarze Müllsäcke eingewickelt, der eine von oben, der andere von unten übergezogen, und sie roch nicht gut. Der süßliche Gestank, den ihr toter Körper ausstrahlte, war in der geschlossenen, warmen Wohnung nicht zu verkennen; sie hatten ihn sofort wahrgenommen, als sie die Tür öffneten, und als Barbarotti sich neben dem tadellos gemachten Metallbett im Alkoven hinhockte und die Tatsache konstatierte – und anschließend seinen Rücken streckte –, spürte er eine schnelle Welle von Übelkeit, die gar nicht in erster Linie von dem Anblick herrührte, der sich ihm bot, sondern daher, dass er seit mehr als einer halben Minute die Luft angehalten hatte.
»Mach die Balkontür auf«, instruierte er Inspektorin Backman.
Zwar dauerte es noch gut eine Stunde, bis die beiden Plastiksäcke ordnungsgemäß vom Arzt und den Technikern der Spurensicherung fortgeschafft worden waren – und eine weitere halbe Stunde, bevor die erste vorläufige Identifikation zustande kam (mit Hilfe eines jungen, schockierten Paares in der Wohnung gegenüber) –, aber einen Zweifel daran, wer dort lag, hatte zumindest Inspektor Barbarotti während dieser langen neunzig Minuten nie gehegt.
Eva Backman auch nicht.
Und es herrschte auch nicht viel Zweifel daran, wie Anna Eriksson ums Leben gekommen war. Ihr leicht angeschwollenes, bleiches Gesicht war relativ intakt, aber eingerahmt von einem Oval aus dunklem, eingetrocknetem Blut, das sich über die Schläfen und hinunter über beide Wangen ausbreitete, und als sie sie vorsichtig umdrehten, waren die Schlagspuren an der Schläfe und über dem linken Ohr deutlich zu sehen. Ein stumpfer Gegenstand, dachte Gunnar Barbarotti automatisch und schluckte die Übelkeit hinunter, die in ihm aufstieg. Typ Eisenstange. Typ Baseballschläger. Typ weiß der Teufel was. Er tauschte einen Blick mit Inspektorin Backman und sah, dass sie das Gleiche dachte wie er.
Die Methode. Der Mörder hatte nicht die gleiche Methode benutzt. Das war ungewöhnlich. Jeder Täter entschied sich eigentlich für eine Vorgehensweise und blieb dann dabei. Schusswaffe oder Messer oder nur die Hände, alles nach Veranlagung und Geschmack. Aber in die
sem Fall hatte er also gewechselt. Warum?, dachte Barbarotti. Oder … oder konnte man wirklich sicher sein, dass es sich um ein und denselben Mörder handelte?
Ihm war sofort klar, dass diese technische Frage, die in seinem Kopf plötzlich auftauchte, nur als eine Art Schutz vor dem grotesken Anblick der Frau auf dem Boden dienen sollte.
Denn es hatte ja wohl selten Ermittlungen gegeben, in denen man sich so sicher hatte sein können. Aber die Frage musste dennoch gestellt werden. Zwei Mörder oder einer? Voreilige Schlussfolgerungen waren die gefährlichste Falle überhaupt.
Quatsch, dachte er und wandte den Blick vom Opfer ab. Es ist doch klar wie Kloßbrühe, dass es derselbe war. Oder sollten wir es etwa mit zwei separaten Briefeschreibern mit der gleichen Handschrift zu tun haben? Oder einem vollkommen separaten Briefeschreiber und zwei verschiedenen Tätern? Vergiss es.
»Wie lange?«, gelang es ihm, den Gerichtsmediziner Santesson zu fragen, als dieser sich zufällig streckte und seine Brille geradeschob. »So Pi mal Daumen.«
Santesson schaute ihn von der Seite her an. »Mindestens vierundzwanzig Stunden. Vermutlich länger. Ich nehme an, dass du den Geruch bemerkt hast?«
»Oh ja«, bestätigte Barbarotti. »Dann ist es also nicht unmöglich, dass sie beispielsweise seit Dienstag hier gelegen hat?«
»Dazu möchte ich nichts sagen«, erklärte Santesson. »Aber nichts ist unmöglich.«
Angeber, dachte Gunnar Barbarotti und warf Backman einen fragenden Blick zu. Hatte sie nicht langsam auch genug gesehen?
Das hatte sie offenbar. Sie verließen gemeinsam die Wohnung, und als sie auf den Bürgersteig gekommen waren,
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