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Eine geheime Liebe - Roman

Titel: Eine geheime Liebe - Roman
Autoren: PeP eBooks
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Leidenschaft unökonomisch, Verschwendung. Am liebsten hätte er sich gegen jede Veränderung verbarrikadiert.
    »Einen verheirateten Mann zu lieben, bedeutet, sich zu bescheiden. Die Kunst der Zurückhaltung wird zu einer der dringlichsten Aufgaben. Man muss die Geschichte über die Zeit retten, sie ständig wiederaufnehmen, die Grenzen in Zeit und Raum akzeptieren. Manchmal bestand die Liebe zu ihm in nichts als Schmerz. Ich war physisch anwesend und emotional abwesend. Ein Widerspruch in sich. Der Stachel des Leidens war immer präsent, er steckte in jenem Teil der Brust, in dem sich einst die eingebildeten Schmetterlinge getummelt hatten. Eine lähmende Angst befiel mich. Manchmal genügte ein einziger Klang oder eine Begegnung mit irgendjemandem, der mich an seine Existenz erinnerte, und das mühsam erkämpfte Wohlbefinden schwand dahin und hinterließ nichts als Melancholie.
    »Wenn er mir zu sehr fehlte, griff ich auf eines meiner Gegenmittel zurück: Ich ging spazieren. Ich zehrte von den Resten unserer letzten Begegnung, zerbröselte sie, veränderte ihre Gestalt. Ich versuchte, mich von Erinnerungen zu nähren. Vielleicht hätte ich Vorräte anlegen sollen, aber ich war zu stolz, darum zu bitten. Allmählich wird es langweilig, Lucrezia, entschuldigen Sie bitte. Dieses Gerede hätte sogar Emma Bovary die Leidenschaft ausgetrieben.«

    Sie lächelte mich an. Wohlwollend. Vor der absoluten und unzerstörbaren Gleichförmigkeit des provenzalischen Himmels wirkte mein Leben wie etwas ziemlich Unvollkommenes. Es rührte mich immer noch, auf dieser Erde zu leben, die so reich an Farben war, dass die Impressionisten ihre Staffeleien hier aufgestellt hatten. Das Blau um uns herum war von feinen weißen Strichen durchzogen, den scharfen Linien der vollkommen parallel verlaufenden Wolken, die mich eigentümlicherweise an das Lied im letzten Satz von Mahlers Vierter erinnerten: »Der Himmel hängt voll Geigen.« Die Unbeschwertheit des Gesangs wird von eiskalten Blitzen durchfahren, die andere Risse im Eis heraufbeschwören.
    Die Bretagne. Eine der seltenen Fluchten, die wir uns in dieser heimlichen Beziehung geleistet haben. Wie soll ich es sonst nennen?
    Wir haben es uns auf der Steinbank bequem gemacht, und ich habe instinktiv das Bedürfnis gespürt, ihr davon zu erzählen, ihr die Atmosphäre und die Farben zu schildern und zum Wandel der Gefühle zurückzukehren. Glückliche Momente heraufzubeschwören, ist eine Übung, der ich mich gerne unterziehe. Der Mangel an Zeugen ermächtigte mich zu Übertreibungen. Dabei wäre das gar nicht nötig gewesen: Von diesen Ferien habe ich nichts vergessen, Düfte, Dämpfe, alles. Zumindest damals stimmte die Wirklichkeit mit dem Traum überein und wurde von ihm durchdrungen.
    »Ihr Vater und ich hatten nicht viele Gemeinsamkeiten, aber die Liebe zum Norden haben wir geteilt. Uns gefiel das
veränderliche Grau nordeuropäischer Strände. Ich hätte ihn gerne mit nach Nantucket genommen, eine kleine Insel vor Neuengland, von wo aus ich ihm lange, von Poesie und Zärtlichkeit triefende Briefe geschrieben habe. In einem Frühling vor unzähligen Jahren haben wir uns dann einen Urlaub in der Bretagne gegönnt, nach dem soundsovielten Trennungsversuch. Es sollte eine Art Entschädigung sein. Unseren Familien haben wir etwas von Verpflichtungen in Frankreich erzählt. Dieselbe Strecke war ich schon einmal mit meinen Kindern geflogen, aber jetzt war meine Verfassung eine andere. Gierig hing ich an der Idee, ihn ganz für mich allein zu haben. Nur er und ich, eine ganze Woche lang. Der Gedanke, dass sich diese Reise zu einem Desaster entwickeln könnte, kam mir nicht annähernd in den Sinn. Ich fühlte mich für die grausamsten Streitereien gewappnet. Das Reiseziel hatten wir gemeinsam ausgesucht. Ständig haben wir uns wechselseitig versichert, dass das graue bretonische Meer unserer Vorstellung von Frieden am nächsten kommt. Der erste heimliche Flug. Am Flughafen von Quimper haben wir ein Auto mit allem Komfort gemietet, sogar mit Radio. Ich habe eine neurotische Vorliebe für die Nachrichten von France-Info, die in regelmäßigen Abständen unverändert wiederholt werden. Das hat etwas Stumpfsinniges, wahrt aber den Anschluss an die Realität und ihre grausamen Tatsachen. Die Fahrt war kurz, wenig mehr als eine Stunde. Wir sind in Richtung Nordwesten gefahren, durch Locronan hindurch bis zur Bucht von Douarnenez, wo das Meer dunkel und wild ist. In der Tasche hatten wir die
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