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Eine geheime Liebe - Roman

Titel: Eine geheime Liebe - Roman
Autoren: PeP eBooks
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schützenden Klänge,
die wir über Kopfhörer hören würden. Ich hatte im Hôtel de la Plage in Saint-Anne la Palud ein Zimmer reserviert, das Hotelrestaurant dort schaut direkt auf den Strand hinaus. Im Hallenbad würde ich mich, wenn er schlief, der Illusion hingeben, mich zu bewegen. Bei der Reservierung hatte ich mir mein Lieblingszimmer geben lassen, ein Mansardenzimmer mit einem kleinen Wohnbereich und einem bequemen breiten Bett, das den gesamten Hängeboden einnahm und den Blick auf einen Streifen Meer freigab. Es war in jeder Hinsicht ein romantisches Zimmer, mit Kamin, Dielenboden, schweren blau-weißen Federbetten und Teppichen aus grober bretonischer Wolle. Ich schrieb, wenn ich Zeit hatte, also wenn er schlief oder etwas anderes zu tun hatte und ich ihn ungestört beobachten konnte. Als er mich dann am Flughafen in den Arm nahm, schenkte ich ihm meine Notizen. Ohne in Schuldgefühlen zu versinken.«
    »Das würde ich gerne lesen. Wer weiß, vielleicht hat er sie ja aufbewahrt! Es wird langsam kalt, warum gehen wir nicht hinein und werfen einen Blick in die Schachtel? Verzeihen Sie, Signora, ich bin ziemlich indiskret. Und vielleicht haben Sie ja auch etwas Besseres zu tun.«
    »Aber nein, Lucrezia. An diese Reise zu denken, hat auch in mir den Wunsch geweckt, die Notizen zu suchen. Kommen Sie, wir essen eine Kleinigkeit. Es ist auch Zeit für einen guten Kaffee.«
    Ich hatte Annette frei gegeben. Mit Sicherheit hatte sie sich zu ihrer Blumenhändlerin zurückgezogen, dem einzigen Menschen, der sie ertrug und mit dem sie unentwegt
tratschte. Das Geheimnis, das ich um Lucrezias Besuch gemacht hatte, war sicher das Thema des Tages. Bevor sie gegangen war, hatte sie die Freundlichkeit besessen, in der Veranda ein Frühstück anzurichten, mit einem Krug Kaffee, der noch dampfte, und verschiedenen Körben voller frischer Plätzchen und Milchbrötchen mit Oliven, Nüssen und Kräutern - Pierres Spezialität. Lucrezia holte die Schachtel. Wir hatten sie einfach stehen lassen, und Annette hatte vielleicht schon längst ihre fetten, indiskreten Finger hineingesteckt. Nachdem Lucrezia sich auf das große weiße Kissen auf dem Sofa gesetzt hatte, kramte sie in den Briefen herum und lachte wie ein Kind. Sogar mir kam ihre Neugierde übertrieben vor. Hätte es uns gefallen, Spuren eines väterlichen Ehebruchs zu finden, Gabriella?
    »Möchten Sie es mir nicht vorlesen, Signora?«
    Von ihrer Spontaneität entwaffnet, nahm ich ihr den dicken Umschlag aus der Hand. Er war mit Briefchen auf notizbuchgroßen Seiten vollgestopft und trug die Aufschrift »Bretagne«.
    »Nur die Verliebtheit rechtfertigt die Banalität bestimmter Ausdrucksweisen, Lucrezia. Das hier ist ein Protokoll des Glücks.«
    Mein Geliebter,
    Du warst schön heute Morgen mit den windzerzausten Haaren, als Du Dich über die Klippe gebeugt hast. Einen Moment lang habe ich darüber nachgedacht, wie es für
mich wäre, wenn Du in den kalten grauen Schaum stürzen würdest. Eine vorsorgliche Therapie, um mich an eine mögliche endgültige Abwesenheit zu gewöhnen. In meinen Augen warst Du wunderschön. Der blaue Rollkragenpulli ragte wie eine dunkle Faust aus dem Pullover mit den breiten Zöpfen hervor, den wir im einzigen, nicht von Touristen überlaufenen Geschäft in Saint-Anne gekauft hatten. Stundenlang saßen wir am verlassenen Strand, ohne hinter dem Vergehen der Zeit die Ungeduld zu spüren. Die eiskalte Brise hat Dir die Haare zerzaust. Die beiden jungen Leute in unserer Nähe achteten gar nicht auf die Kälte des nahenden Frühlings, die aus ihren Nasenspitzen jedes Gefühl vertrieben hatte. Sie mochten um die zwanzig sein und diskutierten eher leidenschaftslos mit ihrem Pariser Akzent.
    Du hast Thomas Mann gelesen, und das Unangemessene daran war mir gar nicht bewusst. Einem Psychoanalytiker hätte ein flüchtiger Blick auf unsere Urlaubslektüre genügt, um sich ein ziemlich genaues Bild von unseren Persönlichkeiten zu machen. Ich hatte die Biografie von Louise de Vilmorin dabei, die ideale Heldin und Inspirationsquelle für diese Tage mit Dir. Auf meinem Grab sollen neben meinem Foto die Worte »Au secours« eingemeißelt werden. Zu Hilfe. Wie auf dem Grab von Louise. Sie hat sich in Männer mit den Initialen A. M. verliebt. André Malraux etwa, ihre Liebe als Vierzigjährige. Und im Alter. André war der erste Leser ihres ersten Romans. Wie Du.
    Du hattest Ähnlichkeit mit einer Schildkröte, die ihren
Hals in den schützenden Panzer
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