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Eine geheime Liebe - Roman

Titel: Eine geheime Liebe - Roman
Autoren: PeP eBooks
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Baron von Münchhausen.
    C.
     
     
    Nacht.
    Über Kopfhörer die »Italienische Sinfonie« von Felix Mendelssohn Bartholdy. Wie viele von den Sinfonien, die ich ohne jede Ahnung von Musik anhöre, sind aus persönlich durchlebten Dramen entstanden? Wie viele von den Klängen, die mich zu Tränen rühren, bringen die Pein eines Brahms, eines Schubert, eines Mahler zum Ausdruck? In einem Anfall von Strenge habe ich es mit dem achtzehnten Jahrhundert versucht, aber nur dem romantischen neunzehnten Jahrhundert kann ich mich in aller Unschuld hingeben. Für mich bringt es eine beispielhafte Synthese von Verstand und Gefühl zum Ausdruck. Die Musik ist meine Lösung. Die Lampe auf dem Nachttisch brennt. Neben dem Licht liegt ein Buch, »La Mort subite«, das Tagebuch eines ganz Großen, mit einer Widmung für mich. Unser
Flugzeug fliegt morgen sehr früh. Wir haben einen kleinen Wecker dabei, der mich nun drohend und flehend anschaut. Was wird aus uns werden?
    C.
    Eines Morgens war ich erwacht, als es gerade dämmerte, und konnte mich nicht entscheiden, ob ich bei ihm bleiben und ihn anschauen oder lieber einen Spaziergang machen sollte. Schließlich ging ich hinaus. Der Strand erwartete mich, immer noch leicht versteckt unter dem Nebel, der ihn mit seinem nächtlichen Atem umfangen hatte. Er war verlassen, eine Dame mit den weichen Rundungen des Alters, mit zarten Sandbuckeln, die hier und da die glatte Oberfläche kräuselten. Eine weiße Frau, die von den Schatten der Nacht mit der Welt versöhnt wurde. Eine friedvolle Kreatur. Den Wind spürte man nicht - seltsam für die Bretagne -, und meine Spuren im Sand störten den Frieden. Um den Schaden gering zu halten, würde ich auf dem Rückweg in meine eigenen Fußstapfen treten. Ich dachte an die Kinder und an die Ferien in der chaumière , die wir vor einigen Jahren in der Nähe von Concarneau gemietet hatten, ein Haus mit Reetdach und einem einzigen großen Zimmer unten, mit Küche, Wohnzimmer und grauem Steinboden. Spartanisch wie die Zimmer oben. Der Garten hatte nach Meer gerochen. Die vorübergehende, stille Freiheit bereitete mich auf ganz andere Einsamkeitsgefühle vor. Dass ich ihn bei meiner Rückkehr vorfinden würde, war eine merkwürdige
Vorstellung. Tatsächlich stand er bereits vor dem Holztor des Hotels, das Gesicht von der Sonne gerötet.
     
    Ich dachte schon, du seist abgereist , sagte er und schien nicht zu scherzen. Seine Augen lachten, die Haut im Gesicht wirkte entspannt, glatt. Er hatte eine Schramme am Kinn wie jemand, der sich in tollkühner Geschwindigkeit rasiert hatte. Zugegeben hätte er das nie.
    Warum sollte ich dem Glück entfliehen?
    Die Liebe ist furchtbar konformistisch. Mir kommen nur idiotische Sätze in den Sinn.
     
    »Das Frühstück dauerte dann ewig, Lucrezia. Stundenlang blieben wir am gedeckten Tisch sitzen. Auf dem makellosen Tischtuch präsentierte sich ein bombastisches Angebot an Speisen und Gerüchen und verschiedensten Marmeladen in bemalten Keramikschalen. Er aß von allem, gierig. Ich habe nie begriffen, wie er das alles verschlingen konnte - Spiegeleier, fettige Croissants, eine Tasse Milch nach der anderen -, zumal er ohne jedes ästhetische Bedenken Geschmacksrichtungen und Farben durcheinandergewürfelt hat. Für mich ist essen ein Spiegel der Seele, Lucrezia. Traurigkeit ist synonym mit fasten. In der Bretagne habe ich zugenommen. Gesättigt von Zärtlichkeit.
    »Damals besaß die Liebe eine große Leichtigkeit: essen, spazieren gehen, sich lieben, schlafen, lesen, reden, alles ohne Zeitmesser. Den Zauber dieser Ferien hätten wir selbst dem gewieftesten Reiseveranstalter nicht vermitteln können.«

    Die bretonischen Friedhöfe haben einen besonderen Reiz, du wirst schon sehen.
    »Er hat mich erstaunt angeblickt, als ich ihn dazu überreden wollte, mich auf eine meiner Pilgertouren zu Grabstätten und Familiengeschichten zu begleiten.«
    Ich habe es vorgezogen, mich über die Gräber von Unbekannten zu beugen. Auf dem Landfriedhof, wo mein Bruder liegt, bin ich nie gewesen, und auch auf die Gräber der restlichen Familienmitglieder habe ich nie Blumen gelegt. Nur ihre Fotos habe ich ausgesucht. Ich hätte es nie zugelassen, dass Fremde meine Mutter als alte, von der Trauer aufgedunsene Frau zu sehen bekommen. Auf ihrem Grabstein ist sie kaum älter als zwanzig und wirkt glücklich. Ihr großer Mund ist korallenrot, und ihr Haar ist in Wellen gelegt, wie es in den Fünfzigerjahren Mode war.
    Auf dem Friedhof, der
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