Eine geheimnisvolle Lady
Tagelang hatte dieser notorische Wüstling im Gebüsch gelauert, um mit ihr zu reden? Für keine andere Frau hatte er das jemals getan, das wusste sie, obwohl er es nicht erwähnte. Und sie war es nicht wert.
Welch ein Unterschied zu dem hochnäsigen Lebemann, den sie in seiner schönen Bibliothek kennengelernt hatte. Jetzt sah sie einen Mann, der am Boden zerstört war und Höllenqualen ausstand. Bittere Galle füllte ihren Mund, beklemmende Selbstverachtung rief den Wunsch hervor, sie wäre niemals in sein Leben getreten. Wenn der Verstand ihr auch zuflüsterte, der Schmerz würde nachlassen, ihr Herz wusste es besser.
Aber sie ignorierte ihr Herz, und wie ihr eine düstere Ahnung prophezeite, würde sie das auch in Zukunft tun. Winselnd drückte sich Rex zwischen ihre Röcke und suchte Trost. Seit Tagen war er nervös, weil er die angespannte Atmosphäre im Haus ihres Vaters spürte. Abrupt erschlaffte ihr Arm in Ashcrofts Griff, ihr Kampfgeist verflog. Ihre Stimme war ein schwaches Flüstern. »Hier gibt es nichts für dich.«
»Hier gibt es alles für mich«, erwiderte er und trat näher. Wenn er sie jetzt an sich zog, würde sie zusammenbrechen. Sein Tonfall vertiefte sich zu samtiger Verführung, die sie hörte und spürte zugleich. »Was du getan hast, ist mir egal. Komm zurück, Diana.«
Was es ihn kosten musste, solche Worte auszusprechen, wusste sie. Wie gern würde sie der sanften Lockung folgen … »Nein, es ist vorbei.« Die Worte taten weh.
Er ließ sie los und trat zurück. Sofort fehlte ihr die Berührung, so wie er ihr seit zehn qualvollen Tagen fehlte. Trotz des warmen Morgens rieb sie ihre Arme. Die Kälte erfüllte ihr Inneres, unabhängig von der Jahreszeit. In stummem Mitgefühl drängte sich Rex noch fester an ihre Beine.
»Sag mir, warum.« Ashcrofts Kinnmuskeln erhärteten sich.
Wenn sie es doch könnte! Sie wappnete sich, um noch einmal zu lügen. Nach all den Lügen müsste es ihr allmählich leichter fallen. Stattdessen erreichte sie ein Stadium, in dem sie fast würgen musste, wann immer sie etwas Falsches sagte. Nur noch ein Mal, nahm sie sich vor. Schick ihn weg, dann musst du ihn nie wieder belügen.
Doch dann las sie die unverhohlenen Gefühle in seinem Gesicht und vermochte die schneidenden, beleidigenden Worte nicht auszusprechen. Stattdessen schüttelte sie nur den Kopf und wandte sich ab. »Tut mir leid, Ashcroft.« Nur zwei Schritte gelangen ihr. Rex klebte so dicht an ihren Fersen, dass er sich in ihren Röcken verfing.
»Warte, Diana!«, rief Ashcroft und eilte ihr nach.
Hastig wich sie ihm aus. »Nein, Tarquin.« Ehe sie es verhindern konnte, kam sein Vorname über ihre Lippen.
Gepeinigt jaulte Rex, als sie auf ihn trat, und sie drehte sich zur Seite, um den Spaniel nicht zu verletzen. Aus dem Gleichgewicht geraten, schwankte sie, und Ashcroft griff nach ihr.
Automatisch legte sie beide Hände schützend auf ihren Bauch.
24
Wie vom Blitz getroffen, erstarrte Ashcroft. Er versuchte zu sprechen. Seiner Kehle entrang sich kein einziger Laut. Dann räusperte er sich und versuchte es noch einmal. Sanft, aber umbarmherzig umfasste er Dianas Taille etwas fester und drehte sie zu sich herum, sodass sie ihn anschauen musste. Nach einer kurzen Gegenwehr kapitulierte sie. Ihre Mundwinkel zogen sich nach unten, ihr Gesicht war aschfahl, und sie zitterte am ganzen Körper.
Endlich konnte er die unvorstellbaren Worte sagen. »Du bist schwanger.«
Da wurde sie noch bleicher. Sogar ihre Lippen färbten sich weiß. Er beobachtete, wie sie neue Lügen erwog und sich schließlich für die Wahrheit entschied. Seltsam, wie leicht er sie durchschaute, ihre Gedanken las, und sie hütete trotzdem so viele Geheimnisse.
»Es ist zu früh, um etwas zu sagen.« Aber die verräterische Hand strich über ihren Bauch, in dem sie sein Kind trug. Winselnd und tröstend drückte sich der Hund wieder an ihre Röcke.
»Wann hattest du zum letzten Mal dein Unwohlsein?«, fragte Ashcroft gnadenlos, eher, um sie zu überzeugen als sich selbst.
»Das geht dich nichts an«, erwiderte sie dumpf und wich seinem Blick aus. Aller Kampfgeist entschwand.
Er musste völlig verrückt sein. Natürlich hätte er wissen müssen, dass dieses Zigeunergebräu schierer Unsinn war. Und Diana besaß keinerlei Erfahrung, trotz ihrer Ehe, die allerdings nicht lange gedauert hatte. Jetzt steckten sie beide in der Klemme.
Zur Hölle, nach so vielen Jahren war er in die Falle getappt, noch dazu mit einer
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