Eine geheimnisvolle Lady
gewesen, um ihre Verachtung offen zu zeigen. Trotzdem hatte er gespürt, wie sie ihn einschätzte.
Dieser Aspekt störte ihn am meisten, ihr Hohn, der seinem Charakter galt. Er war der Earl of Ashcroft, sorglos, berüchtigt, ein gewissenloser Verführer. Er machte sich keine Illusionen darüber, was für ein Mann er war und was er in seinem zügellosen Leben getan hatte. Wenn es um Frauen ging, benahm er sich wie ein Schurke. Seine einzige Tugend war seine Ehrlichkeit, sich selbst und seinen Gespielinnen gegenüber.
Und doch wünschte er, Diana würde ihn wieder so schmachtend anschauen wie in jenem Moment, in dem er sein Jackett um ihre Schultern gelegt hatte. Als hätte sie ihm eine solche Ritterlichkeit nicht zugetraut. Zum Teufel mit ihr!
Leise stöhnte er und streckte seine verkrampften Beine aus, bis seine Fersen an die hintere Wagenwand stießen. Es war so verdammt heiß. Wie eine dampfende Decke lag die Luft über London.
Tobias, sein Kutscher, klopfte zweimal auf das Dach. Dieses Zeichen hatten sie für den Fall vereinbart, dass sich eine Frau näherte. Viel zu schnell pochte Ashcrofts unberechenbares Herz, während er den Wagenschlag öffnete und ausstieg. Er redete sich ein, die Erleichterung, die seine Brust verengte, sei nur ein Vorbote sinnlicher Freuden. Automatisch nahm er seinen Hut ab und verbeugte sich. »Diana.«
»Mylord.« Sie knickste nicht. Und sie hatte sich wieder verschleiert.
Der Park war menschenleer. Später, wenn die fashionable Stunde begann, würde sich das ändern. Niemand beobachtete, wie er Dianas Hand ergriff und ihr in den Wagen half. Dabei wurde ihm bewusst, dass er ihre entblößten Hände noch nie gesehen hatte. Sie trug immer Handschuhe.
Immer? Dies war erst ihre dritte Begegnung.
Er schloss die Tür und die Vorhänge, um das Wageninnere ins Halbdunkel zu tauchen. Behutsam zog er Diana an seine Seite auf den Sitz. Seine und ihre Hüften streiften einander, was ihn sofort erregte.
»Nimm deinen Hut ab«, befahl er heiser.
Wortlos gehorchte sie. Mit sicheren Fingern hob sie den Schleier, löste die Bänder ihres Huts und legte ihn auf die Bank gegenüber. Voller Sorge schaute sie Ashcroft an. Unter den grauen Augen sah er die Schatten einer schlaflosen Nacht. Offensichtlich teilte sie seine Bedenken, die der wechselseitigen Anziehungskraft galten. Warum, wusste nur der Allmächtige. Das hatte sie doch angestrebt.
Beschwert von unausgesprochenen Gefühlen und wachsender Lust, schien die Luft zu kochen. Zarte Röte betonte Dianas Wangenknochen, ihre Zunge befeuchtete die Lippen, und Ashcrofts Versuch, die Oberhand zu behalten, entwickelte sich zur Farce.
Ohne den Blick von ihrem Gesicht abzuwenden, klopfte er gegen das Wagendach. Der Kutscher hatte die Anordnung erhalten, im Park umherzufahren, bis sein Herr ihm wieder ein Zeichen geben würde. Als die Räder zu rollen begannen, geriet Diana sekundenlang aus dem Gleichgewicht, und ihr Duft wehte zu Ashcroft. Ein florales Parfüm. Und darunter die vermaledeiten grünen Äpfel.
»Setz dich auf meinen Schoß!«, stieß er hervor. Sein Hunger hatte ein Ausmaß erreicht, das ihm seine Fähigkeit zu sanfter Überredungskunst raubte.
Das Schweigen zog sich in die Länge. Nur die Hufschläge und das Knarren der Kutsche durchbrachen die Stille. Diana leckte sich über ihre Lippen. Diesmal langsamer. Ashcroft unterdrückte ein Stöhnen, und ihr Blick glitt zu der Wölbung in seiner Hose.
Als sie aufsah, las er Neugier und Sehnsucht in den Tiefen ihrer grauen Augen. Und – unvermeidlich – Geheimnisse.
Sie erhob sich, zog ihre Röcke hoch und setzte sich rittlings auf seinen Schoß. Dabei schaute sie ihn unverwandt an.
6
Während Diana ihre Schenkel über dem Schoß des Earls spreizte, zwang sie Luft in ihre ausgehungerten Lungen. Ihr schien, sie hätte nicht mehr geatmet seit sie in diese stickige Kutsche gestiegen war. Nun schwelgte sie in Ashcrofts provozierendem Duft, und ihr Herz hämmerte gegen die Rippen, als wollte es sich aus ihrer Brust befreien.
Durch den Wagen ging ein Ruck, und sie hielt sich an Ashcrofts starken Schultern fest. Wie heiß er sie begehrte, wusste sie. Das bezeugte seine imposante Erektion deutlich genug, selbst wenn Diana die Glut in seinen Augen nicht hätte deuten können.
Es war an der Zeit. Falls sie einen Erfolg erzielte, würde sie Lord Burnleys Projekt in die Wege leiten. Für einen Rückzug wäre es zu spät. Sie verkaufte sich für irdischen Lohn, und ihre Ehre wäre
Weitere Kostenlose Bücher