Eine geheimnisvolle Lady
Neugier. Musterte er jede Frau so eingehend? Überlegte er, ob Laura eine geeignete Bettgefährtin wäre? Immerhin hatte Burnley erwähnt, Ashcroft würde nicht zaudern, diverse Frauen zu verführen, während er regelmäßig mit einer Geliebten zusammen war.
Daran zweifelte Diana. In seinen Augen las sie keine sinnliche Einschätzung, im Gegensatz zu seiner ersten Begegnung mit ihr. Nein, Laura und Ashcroft taxierten einander wie Feinde vor einem Kampf.
»Hat Ihre Tante das Museum verlassen, Mylord?«, fragte Diana betont beiläufig.
Er schüttelte den Kopf. »Inzwischen sind Tante Mary und ihre Tochter in den übernächsten Raum gegangen. Ich erklärte ihnen, ich hätte meine Handschuhe verloren.«
»Stimmt das?«
»Nein, sie stecken in der Tasche meines Jacketts.« Ein schwaches Lächeln umspielte seine Lippen, und sie wünschte, sie würde es nicht so betörend finden.
»Wenn Sie sich zu viel Zeit lassen, wird die Countess Verdacht schöpfen.«
Unbeirrt ergriff er ihren Arm. »Gewähren Sie mir fünf Minuten allein mit Ihnen.«
Was sie befürchtete, konnte er nicht wirklich meinen. Nicht hier. Und nicht in fünf Minuten. »Wir befinden uns an einem öffentlichen Ort«, protestierte sie, obwohl die Berührung durch den Seidenärmel ihre Haut entflammte.
»Dann suchen wir einen weniger öffentlichen Ort.«
»Nein, ich gehe nicht mit Ihnen …« Verzweifelt wandte sie sich zu Laura, die das Geplänkel beobachtete, als würde sie eine Theateraufführung verfolgen.
Ashcroft lachte leise. »Warten Sie doch, bis Sie darum gebeten werden.«
Vielleicht hätte sie seine lässige Antwort ernst nehmen können, wenn sie seine Verzweiflung nicht gespürt hätte. Verlangen und Frustration beherrschten ihn. Das hatte sie sofort gemerkt, als sie ihm vorhin begegnet war. Und sie selbst fühlte sich nicht besser.
»Ich werde nach nebenan gehen«, kündigte Laura an und schenkte ihnen ein erstaunlich verschwörerisches Lächeln.
»Oh Miss Smith«, seufzte Ashcroft erleichtert, »Sie sind ein Engel.«
»Meiner Freundin bin ich in unverbrüchlicher Loyalität verbunden, Mylord.« In diesen Worten schwang eine Warnung mit, die Diana nicht entging.
»Das bewundere ich«, versicherte er ohne eine Spur von Hohn.
Da vertiefte sich Lauras Lächeln. Sie war ein hübsches Mädchen. Sogar für eine Schönheit würde man sie halten, wenn sie außerhalb ihrer gewohnten Umgebung nicht so scheu wäre. »Vergessen Sie nicht, Mylord. Fünf Minuten.«
Ohne ihnen noch einen Blick zu gönnen, schlenderte sie davon. Diana wandte sich zu dem Mann, der hoch aufgerichtet vor ihr stand, und bezähmte ein albernes feminines Gefühl der Geborgenheit. Genauso sicher wäre sie in der Nähe einer Kobra. »Was willst du, Ashcroft?«, fragte sie mit geheucheltem Wagemut.
»Sei nicht dumm, Diana. Was ich will, weißt du.« Seine Stimme sank zu einem heiseren Flüstern herab. »Dich.« Er umfasste ihren Arm noch fester und zog sie zu einer Wand, vor der ein großer Alabastersarkophag stand.
»Nein!« Erfolglos versuchte sie, echten Widerstand zu leisten. War er verrückt geworden? Erwog er ernsthaft, sie in den geheiligten Hallen des British Museum zu verführen? »Das wirst du nicht tun!«
»Oh, doch, verdammt noch mal«, murmelte er und schob sie in die Ecke hinter den Monolithen, der beide gegen die Tür zum Nebenraum abschirmte. Käme jemand herein, würde ihm ein Paar, das sich in den Schatten umarmte, trotzdem sofort auffallen.
»Deine Tante …«, begann Diana.
»Zum Teufel mit meiner Tante.« Unsanft packte er ihre Ellbogen und drückte sie an die Wand.
Wie töricht sie war. Sie sollte um Hilfe rufen und gegen seine Schienbeine treten, bis er sie losließ. Stattdessen strömte heiße Vorfreude durch ihre Adern, und ihr Herz tanzte. Aber dann zwang sie eine ruhige Entschlossenheit, die sie nicht empfand, in ihre Stimme. »Fünf Minuten, hat Laura gesagt. Selbst wenn deine Tante uns nicht ertappt, meine Freundin wird zurückkommen. Oder jemand anderes geht vorbei. Es wäre skandalös genug, wenn man uns beide zusammen in einer Menge sähe, geschweige denn wenn man uns in flagrante delicto hinter dem Sarg eines Pharaos ertappte.«
»Diana?«
Irgendetwas in der Art, wie er ihren Namen aussprach, beendete ihre Tirade. Atemlos starrte sie in sein Gesicht. Er war unnatürlich blass. In seiner Wange zuckte ein Muskel – bei ihm stets ein Zeichen extremer Emotionen. Seine funkelnden grünen Augen fesselten ihre, und er hob eine Hand, um ihr
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