Eine geheimnisvolle Lady
Kinn zu umfassen.
»J…ja?«
»Halt den Mund.«
»Was …«
Abrupt erstarb die Frage, die sie entrüstet stellen wollte, denn er presste seinen Mund auf ihren.
Dianas Zorn, ihre Verwirrung, die Schuldgefühle, die qualvolle Einsamkeit – das alles zerschmolz in tosenden Flammen. Ob sie ertappt wurden, spielte keine Rolle mehr. Nur eins war wichtig: Ashcroft küsste sie. Zum ersten Mal seit fünf Tagen fühlte sie sich wieder vollständig. Kraftlos sank sie gegen die Wand und genoss die heißen Liebkosungen seiner Zunge. Er seufzte zufrieden und presste sie fester an sich. Mit gleicher Glut erwiderte sie seine Leidenschaft.
Unmöglich, noch länger vorzugeben, sie würde ihn nicht genauso begehren wie er sie … Die Arme um seinen Hals geschlungen, wurde sie von primitiver Lust erfasst. Endlich wollte sie ihn wieder in sich spüren. Als ihre Sinne zu schwinden drohten, entzog er ihr seinen Mund und legte seine Wange an ihre. In berauschender Erinnerung an den Kuss verloren, rang sie nach Luft, spürte Ashcrofts harte Bartstoppeln, roch die Hitze seiner Haut, seine Begierde.
»Warum hast du mir keine Nachricht geschickt?« Seine Stimme erinnerte an knirschende Kieselsteine, sein Atem streifte ihr Ohr und bewegte dünne Haarsträhnchen. »Warum mussten wir beide warten?«
Vergeblich suchte sie nach zusammenhängenden Worten. Durch ihre Röcke spürte sie das harte, heiße Zeichen seiner Erregung und streichelte seinen Rücken, in einem Rhythmus, der schon bald eine lockende Wirkung erzielte. Sie schloss die Augen und schwelgte in diesem stillen, wundervollen Beisammensein. Gleichzeitig ermahnte sie sich. Wie albern, dieses Gefühl, sie würde in Ashcrofts Arme gehören …
»Sag mir, warum, Diana«, flüsterte er.
Warum hatte sie sich nicht bei ihm gemeldet? Das hätte sie tun sollen. Lord Burnley hatte ihr befohlen, nach ihrer Ankunft in London sofort wieder in Ashcrofts Bett zu sinken. Wenn der Marquess wüsste, wie wenig sie die letzten Tage genutzt hatte, würde er in hellen Zorn geraten. Wahrscheinlich wusste er es sogar, weil er sie beobachten ließ. Sie hatte Cranston Abbey mit der Absicht verlassen, den unseligen Plan auszuführen. Also musste sie möglichst viel Zeit mit Ashcroft verbringen, in der Hoffnung, ein Baby zu empfangen.
Aus den Augen, aus dem Sinn. Zweifellos traf diese Redewendung auf einen Mann wie Ashcroft zu. Wenn sie ihn nicht amüsierte, solange sie ihn reizte, würde er sein Vergnügen woanders suchen. Natürlich durfte sie sich nicht einbilden, er würde in keuscher Vorfreude auf sie warten wie Sir Galahad auf das Erscheinen des Heiligen Grals.
Trotzdem hatte sie nichts unternommen. Am ersten Tag schützte sie Kopfschmerzen vor und zog sich in ihr Zimmer zurück. Eigentlich keine Lüge, denn Schuldgefühle und Sehnsucht hatten sie auf der ganzen Fahrt von Surrey in die Hauptstadt gepeinigt. Dann hatte sie Laura vorgeschlagen, gemeinsam mit ihr die Londoner Sehenswürdigkeiten zu entdecken. Wie kindisch es war, ihrer Mission auszuweichen, wusste sie. Doch sie hätte es nicht ertragen, das Täuschungsmanöver fortzusetzen.
Verzweifelt suchte sie nach einem Vorwand, um zu erklären, warum sie Ashcroft keine Nachricht geschickt hatte. Stattdessen antwortete sie wahrheitsgemäß und hasste den Kummer in ihrer Stimme. »Das kann ich dir nicht sagen.« Sie schmiegte sich noch fester an ihn. Er war so groß und stark. Während er sie festhielt, gewann sie den beglückenden Eindruck, nichts Schlimmes könnte ihr zustoßen. »Frag mich nicht.«
Wie könnte sie eingestehen, schiere Angst hätte sie daran gehindert, ihn zu benachrichtigen? Angst vor der überwältigenden Freude, die sie empfand, wenn sie ihn berührte und küsste? Angst vor der Hilflosigkeit gegen die unerwünschte Faszination? Als sie den Teufelspakt mit Lord Burnley geschlossen hatte, war sie gewiss nicht auf den Gedanken gekommen, dass ihr solche Emotionen drohen könnten.
Fünf Minuten, hatte Laura versprochen. Wenn nicht die Freundin, würde die Countess auftauchen – mit ihrer schrillen Stimme und den eisigen Augen.
Was Dianas Ruf betraf, war Ashcroft bei der Begegnung mit seiner Tante sehr vorsichtig gewesen. Jetzt funktionierte ihr Gehirn wieder, und sie wusste, er würde sie hier nicht kompromittieren, wo sie jederzeit ertappt werden konnten. Hastig bekämpfte sie die tückische Wärme, die bei dieser Erkenntnis ihr Herz erfüllte.
Nun ließ er sie langsam los und trat zurück. Nur weit genug, um ihr Gesicht
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