Eine geheimnisvolle Lady
deine Verwandten dich nicht mögen. Selbst wenn sie es täten, hätten sie schwerlich Partei für deine Mutter ergreifen können.« Ihre Augen schienen Funken zu sprühen. »Mit welchem Recht verdammst du deine Mutter? Gerade du, ein Mann, der eine Affäre, die länger als eine Nacht dauert, für eine langfristige Beziehung hält!«
Erbost über ihre Verachtung, straffte er die Schultern. Und so widerstrebend er es sich auch eingestand – er war verletzt. »Sehr charmant«, erwiderte er gedehnt mit ätzendem Sarkasmus. »Deshalb bist du doch hier, nicht wahr? Weil du gehört hast, ich würde jede Frau in mein Bett holen.«
Sie zuckte zusammen. Aber sie gab nicht klein bei. »Tust du das etwa nicht?«
»Nein, keineswegs «, herrschte er sie an.
Abrupt verebbte ihr Kampfgeist. »Das glaube ich dir nicht«, entgegnete sie in dumpfem Ton.
Ashcroft umschlang ihre Taille. Trotz der dicken wollenen Falten ihres Umhangs spürte er ihre schlanke Gestalt, und seine Stimme nahm einen sanfteren Klang an. »Seit ich dich kenne, habe ich keine andere Frau angerührt.«
»Ein paar Tage lang warst du mir treu? Soll ich jetzt jubeln?« Dann verflog ihre Ironie, und sie schnitt erneut das Thema an, das ihr so tiefen Kummer bereitete. »Wie kannst du voller Hass über deine Mutter reden?«
»Ich hasse sie nicht.« Wieder einmal entschlüpfte ihm eine Wahrheit, ehe er sich zurückhalten konnte. Wenn er es nicht besser wüsste, würde er glauben, er wäre betrunken. Obwohl ihn nur Dianas Nähe berauschte … Er umschlang sie noch fester und vertraute ihr an, was er noch niemandem erzählt hatte. »Aber ich rede mir ein, ich würde sie hassen. Damit ich es ertrage, dass sie mich verlassen hat.«
Nun wartete er auf einen geringschätzigen Kommentar, auf höhnisches Gelächter. Immerhin war er ein erwachsener Mann. Wie sich seine Mutter vor dreißig Jahren verhalten hatte, dürfte keine Rolle mehr spielen. Doch die Wunde war ihm in früher Kindheit zugefügt worden und niemals verheilt. Allein schon der Gedanke an seine Mutter krampfte ihm qualvoll den Magen zusammen. Gnadenlos hatte sie ihn im Stich gelassen. Die Behauptung, er würde sie hassen, war viel einfacher als das Geständnis, wie inbrünstig er sich sein Leben lang nach ihr gesehnt hatte.
Nächtliche Stille sank herab, nur von Dianas heftigen Atemzügen durchbrochen. Erschüttert erkannte er, wie nahe sie den Tränen war, und er sprach schweren Herzens weiter. »Nur auf diese Weise ertrage ich die Ablehnung meines Vaters, die Verachtung meiner Familie. Wenn meine Mutter eine wertlose Hure war, bin ich ebenso wertlos. Wenigstens ergibt diese Erklärung einen gewissen Sinn …« Plötzlich verstummte er, sein Herz hämmerte wie rasend gegen die Rippen. Er hatte zu viel gesagt. Viel zu viel.
Diana war nur eine von zahlreichen flüchtigen Liebhaberinnen. Nichts Besonderes, niemand, an den er sich nach der kurzlebigen Affäre erinnern würde.
Und wenn er sie verlor? Der brennende Schmerz, den diese Frage in seiner Brust erzeugte, belehrte ihn eines Besseren. Nie zuvor hatte jemand seine Seele so intensiv berührt wie Diana. Und er ahnte, auch in Zukunft würde niemand in sein Leben treten, der ihm so nahestünde.
Heiliger Himmel, von alldem hatte er genug. Er riss sich los von ihr, ging rastlos den Weg entlang, kehrte ihr den Rücken zu, um zu verbergen, was sein Gesicht enthüllen mochte. Voller Selbstekel dachte er an seine rührseligen Offenbarungen. Wenn Diana jetzt fortginge, dürfte er ihr das nicht verübeln. Verdammt, er wünschte es sogar.
Von Anfang an hatte sie ihn fasziniert, eine Leidenschaft versprochen, die Langeweile und Übersättigung vertreiben würde. So wie alle anderen Affären bot ihm auch diese gemeinsame sinnliche Genüsse. Sonst verlangte er nichts. Warum war so viel mehr daraus geworden? Seine Verzweiflung, weil sie sich nicht gemeldet hatte, sein Glück bei ihrem Wiedersehen. Und jetzt überwand sie die Verteidigungsbastionen seines ganzen Lebens. Ohne jeden Zweifel, er riskierte tiefe Gefühle, die ihn vernichten würden, wenn die Liaison ein Ende fand.
Vielleicht war sie schon jetzt zu Ende. Das müsste er begrüßen. Keine Verletzlichkeit mehr, keine Unsicherheit, kein Aufruhr der Gefühle.
Keine Diana …
Wie ein Verurteilter auf seine Todesstrafe wartete er auf die Trennung. Jeden Augenblick würde sie durch das Gartentor davoneilen und nie mehr zurückkommen. Angespannt lauschte er. Gleich würde er über dem rauschenden Blut in
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