Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eine Geschichte aus zwei Städten

Eine Geschichte aus zwei Städten

Titel: Eine Geschichte aus zwei Städten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
Vom Netzwerk:
stiftet. Sagt ja dazu als ein lieber wackerer Mann – um seiner Tochter willen, mein teurer Manette!«
    Es war merkwürdig, den Kampf mit anzusehen, der in seinem Innern vorging.
    »Sei es denn – um ihretwillen; ich gebe meine Zustimmung. Aber nehmt es nicht weg in seiner Gegenwart. Tut es, wenn er fort ist, und laßt ihn den alten Freund erst vermissen, wenn er nach einiger Zeit wieder zurückkommt.«
    Mr. Lorry sagte das bereitwillig zu, und die Besprechung war zu Ende. Sie brachten den Tag auf dem Lande zu, und der Doktor fühlte sich vollkommen hergestellt. Auch die nächsten drei Tage verliefen vortrefflich, und am vierzehnten machte er sich auf den Weg, Lucie und ihrem Gatten entgegen. Mr. Lorry hatte ihm mitgeteilt, welche Vorsichtsmaßregeln er getroffen, um dem jungen Paar das Schweigen des Vaters zu erklären, und der Doktor hatte in seinem späteren Schreiben an Lucie darauf Bezug genommen, so daß sie von dem Vorgefallenen nichts ahnen konnte.
    An dem Abend nach des Doktors Abreise begab sich Mr. Lorry mit einem Beil, einem Meißel, einer Säge und einem Hammer in Manettes Schlafgemach; Miß Proß begleitete ihn
mit einem Licht. Hier nun hackte er bei verschlossenen Türen und in geheimnisvoller, schuldbewußter Weise die Schuhmacherbank in Stücke, während Miß Proß, die dazu leuchtete, mit ihrer abenteuerlichen Figur sich ausnahm, als leiste sie Beihilfe zu einem Mord. Nachdem das Holzwerk ordentlich zerstückelt war, wurde es ohne Zögern in der Küche verbrannt, das übrige Gerät aber, Schuhwerk und Leder im Garten verscharrt. Zerstören und Heimlichkeit erscheinen jedoch ehrlichen Gemütern in einem so schlimmen Lichte, daß es Mr. Lorry und Miß Proß, als sie ihre Tat vollbrachten und die Spuren davon beseitigten, fast vorkam, als begingen sie gemeinsam ein abscheuliches Verbrechen – ein Eindruck, der sich auch in ihren Mienen und Bewegungen kundtat.
    Zwanzigstes Kapitel
    Eine Bitte
    Als das neuvermählte Paar wieder in der Heimat anlangte, war Sydney Carton die erste Person, die, und zwar kaum einige Stunden nach ihrem Eintreffen, sich mit ihren Glückwünschen einstellte. Er hatte sich in Kleidung, Aussehen und Manieren nicht viel geändert; aber in seinem Wesen lag ein gewisser rauher Zug von Anhänglichkeit, der Charles Darnay zum ersten Mal auffiel.
    Er ersah die Gelegenheit, den jungen Ehemann an ein Fenster zu ziehen, um ungehört mit ihm sprechen zu können.
    »Mr. Darnay«, begann Carton, »ich wünsche, daß wir Freunde werden.«
    »Ich hoffe, das sind wir schon.«
    »Ihr seid gütig genug, mich dessen zu versichern – als Re
densart; aber ich will nichts von Redensarten. Wenn ich sage, ich wünsche, daß wir Freunde werden, so meine ich damit etwas anderes.«
    Natürlich lautete nun Darnays in scherzhaftem Ton gehaltene Frage, was er denn eigentlich meine.
    »Meiner Seel, ich kann das weit leichter fühlen, als es Euch begreiflich machen«, versetzte Carton lächelnd. »Doch ich will es versuchen. Ihr erinnert Euch wohl einer gewissen bedeutsamen Gelegenheit, bei der ich mehr – mehr als gewöhnlich betrunken war.«
    »Ich entsinne mich allerdings einer bedeutsamen Gelegenheit, bei der Ihr mich zwangt, zu gestehen, daß Ihr getrunken hattet.«
    »Auch ich weiß das noch. Der Fluch jener Gelegenheiten lastet schwer auf mir, und ich muß immer an sie zurückdenken. Ich hoffe, man wird mir das eines Tages anrechnen, wenn für mich das Ende aller Tage gekommen ist. Ihr braucht nicht unruhig zu werden; ich will nicht predigen.«
    »Von Unruhigwerden ist keine Rede. Ernst bei Euch hat für mich wahrhaftig nichts Beunruhigendes.«
    »Ach was!« sagte Carton mit einer nachlässigen Handbewegung, als wolle er diesen Gedanken ausstreichen. »Bei der fraglichen Trinkerei – einer von den vielen, wie Ihr wißt – war ich unausstehlich mit meinem: Gefallt Ihr mir oder gefallt Ihr mir nicht. Ich wünsche, Ihr könntet das vergessen.«
    »Das ist schon lange geschehen.«
    »Wieder eine Redensart! Aber Mr. Darnay, mir wird das Vergessen nicht so leicht wie Euch, wenn man Euch so hört. Ich hab es noch gut in der Erinnerung, und eine unbekümmert hingeworfene Antwort wird mich's nicht vergessen machen.«
    »Wenn es eine unbekümmert hingeworfene Antwort war«,
entgegnete Darnay, »so bitte ich um Verzeihung. Ich hatte dabei keine andere Absicht, als einen unbedeutenden Vorfall, der Euch zu meinem Erstaunen zu sehr beunruhigt, für beseitigt zu erklären. Ich gebe Euch mein Ehrenwort darauf,

Weitere Kostenlose Bücher