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Eine Geschichte aus zwei Städten

Eine Geschichte aus zwei Städten

Titel: Eine Geschichte aus zwei Städten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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daß ich ihn mir längst aus dem Sinn geschlagen habe. Gütiger Himmel, was ist auch da nachzutragen? Muß ich Euch nicht im Gegenteil stets dankbar sein für den wichtigen Dienst, den Ihr mir an jenem Tage erwiesen habt?«
    »Was den wichtigen Dienst betrifft«, sagte Carton, »so muß ich, wenn Ihr so von ihm sprecht, Euch gestehen, daß er nur ein auf Effekt berechneter Advokatenkunstgriff war. Ich weiß nicht, ob ich, als ich ihn leistete, mich viel darum kümmerte, was aus Euch werden mochte. – Wohlverstanden, ich sage, als ich ihn leistete. Ich spreche von der Vergangenheit.«
    »Ihr schätzt die Verpflichtung gering«, versetzte Darnay; »aber ich will nicht Streit mit Euch anfangen wegen Eurer unbekümmerten Entgegnung.«
    »Reine Wahrheit, Mr. Darnay; Ihr könnt mir's glauben. Doch ich bin von meiner vorigen Rede abgekommen; ich sprach vom Freundwerden. Nun, Ihr kennt mich und wißt, daß man bei mir den höheren und besseren Aufschwung des Menschen nicht suchen darf. Wenn Ihr daran zweifelt, so fragt Stryver; er wird es bestätigen.«
    »Ich will mir lieber meine eigene Ansicht bilden, als die seinige zu Hilfe nehmen.«
    »Gut. Jedenfalls kennt Ihr mich als einen Bruder Liederlich, der nie etwas Gutes getan hat und nie etwas Gutes tun wird.«
    »Ich weiß nicht, ob das letzte richtig ist.«
    »Aber ich weiß es, und Ihr müßt mir aufs Wort glauben. Wohlan! Wenn Ihr es über Euch gewinnen könnt, zu dulden, daß ein so nichtsnutziger Bursche, ein Mensch von so zwei
deutigem Rufe, hin und wieder zu Euch ins Haus kommen darf, so möchte ich um die Erlaubnis bitten, als eine bevorzugte Person hier ein und aus zu gehen. Seht mich als ein nutzloses – wenn ich nicht eine gewisse Ähnlichkeit zwischen mir und Euch bemerkt hätte, so würde ich hinzusetzen, als ein garstiges Stück Möbel an, das man um seiner alten Dienste willen duldet und unbeachtet stehen läßt. Ich glaube nicht, daß ich die Erlaubnis mißbrauchen werde. Es ist hundert gegen eins zu wetten, daß ich sie nicht öfter als viermal im Jahre benutze, aber ich fände eine Beruhigung darin, wenn ich mir sagen könnte, daß ich sie habe.«
    »Wollt Ihr's versuchen?«
    »Ich darf aus dieser Frage entnehmen, daß man mir die Vergünstigung einräumen will, um die ich gebeten habe. Ich danke Euch, Darnay! – Darf ich mir mit Eurem Namen diese Freiheit erlauben?«
    »Ich denke wohl, Carton, nach unserer langen Bekanntschaft.«
    Sie reichten sich die Hand darauf. Sydney trat ins Zimmer zurück und wirkte nach einer Minute dem äußern Anscheine nach wieder so wesenlos wie immer.
    Er war schon fort, und Miß Proß, der Doktor, Mr. Lorry und Charles Darnay saßen im Laufe des Abends beisammen, als dieser in allgemeinen Ausdrücken sein Gespräch mit Carton erwähnte und einige Bemerkungen über dessen merkwürdigen Leichtsinn fallen ließ. Er tat es nicht mit Bitterkeit oder Härte, sondern einfach so, wie jeder wohl urteilen mußte, der keine höhere Meinung von Carton hatte als Carton selbst.
    Daß dies die Gedanken seiner schönen jungen Frau beschäftigen könne, fiel ihm gar nicht ein; aber als er später zu ihr ins Zimmer kam, fand er sie auf ihn wartend mit ihrem alten liebenswürdigen, nachdenklichen Ausdruck auf der Stirn.
    »Du bist recht nachdenklich heute abend«, sagte Darnay, seinen Arm um sie schlingend.
    »Ja, lieber Charles«, versetzte sie, indem sie ihre Hände auf seine Brust legte und einen fragenden Blick auf ihn heftete, »ich bin heute abend recht nachdenklich, denn ich habe etwas auf dem Herzen.«
    »Was wäre das, Lucie?«
    »Willst du mir versprechen, nicht mit weiteren Fragen in mich zu dringen, wenn ich dich um etwas bitte?«
    »Ob ich's will! Was werde ich nicht meiner Geliebten versprechen?«
    Und er streifte mit der einen Hand die goldenen Locken von der Wange zurück und legte die andere auf das Herz, das für ihn schlug.
    »Ich denke, Charles, der arme Mr. Carton verdient mehr Rücksicht und Achtung, als du heute abend gegen ihn an den Tag gelegt hast.«
    »Wirklich, mein Herz? Und warum?«
    »Das ist es eben, was du mich nicht fragen sollst. Aber ich denke – ja ich weiß, daß es so ist.«
    »Wenn du es weißt, so ist es genug. Und was verlangst du von mir, meine Liebe?«
    »Ich möchte dich bitten, mein Teurer, stets edelmütig gegen ihn zu sein und, wenn er abwesend ist, seine Fehler mit Milde zu beurteilen. Ich möchte dich bitten, zu glauben, daß er ein Herz hat, das er allerdings nur sehr, sehr selten

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