Eine Geschichte aus zwei Städten
durch die armseligen Linnen, die an den ausgespannten Leinen hingen, und wurde mit Stroh und Lumpen, Holz und Papier in sie hineingeflickt. Hunger bedeutete jeder der kleinen Holzabschnitte, die unter der Säge des Holzhackers fielen; Hunger glotzte aus den rauchlosen Schornsteinen in die Tiefe und schoß aus der schmutzigen Straße auf, in deren Kehricht sich kein Abfall vom Essen befand. Hunger war die Inschrift der Bäcker, deutlich ausgedrückt in den kleinen Laiben und dem spärlichen Brotvorrat – die der Wurstläden, lesbar in den Erzeugnissen von Hundefleisch, die zum Verkauf ausgeboten wurden. Der Hunger ließ seine dürren Knochen rasseln unter den in der gedrehten Walze röstenden Kastanien und zeigte sein Skelett auf jedem Teller mit schlechten, in einigen Tropfen widerwärtigen Öls gebratenen Kartoffeln.
Der Tummelplatz war in jeder Beziehung für ihn passend. Eine enge, krumme Straße voll Unflat und Gestank, die in die andern engen, krummen Straßen einmündete, alle bevöl
kert von Lumpen und Nachtmützen, alle riechend nach Lumpen und Nachtmützen und in allen sichtbaren Dingen mit einem düsteren, brütenden Aussehen. In den gehetzten Mienen der Menschen war da und dort noch so eine Art Willenskraft zu lesen, sich gegen ein solches Schicksal aufzubäumen. Wie gedrückt sie auch dahinschlichen, fehlte es ihnen doch nicht an Augen voll Feuer, an zusammengepreßten Lippen, blaß von dem, was sie unterdrückten, und an Stirnen, deren Runzeln an den Henkerstrick erinnerten, von dessen leidender oder handelnder Anwendung sie träumten. Die Geschäftsschilder, deren es fast so viele gab wie Läden, zeigten lauter greuliche Illustrationen des Mangels. Die Schlächter hatten nur die magersten Fleischstücke, die Bäcker die kleinsten Laibe groben Brotes abbilden lassen. Die abgemalten Gäste auf den Schildern der Weinkneipen krächzten in hohläugiger Vertraulichkeit über dem spärlich zugemessenen dünnen Wein oder Bier. Nichts war in einem ordentlichen Zustande dargestellt als das Arbeitsgerät und die Waffen; allerdings, die Messer und Äxte waren scharf, die Schmiedehämmer schwer und die Vorräte des Büchsenmachers mörderisch. Es gab keine Fußsteige, das lahm machende Pflaster mit seinen vielen kleinen Schlamm- und Wasserpfützen begann unmittelbar vor der Tür. Dafür lief die Gosse durch die Mitte der Straße – das heißt, wenn sie überhaupt lief, und das geschah nur nach schweren Regengüssen, dann lief sie aber in ihrem Übermut bis in die Häuser hinein. In weiten Abständen sah man quer über die Straße je eine einzige schwerfällige Laterne an einem Seil, das über eine Rolle lief, aufgehängt, und wenn sie dann nachts von dem Lampenwärter niedergelassen, angezündet und wieder aufgezogen wurden, pendelte über den Köpfen eine weit auseinandergezerrte Reihe von düster brennenden Dochten so unsicher, als wären sie auf dem Meere. Und so konnte mans auch nennen;
sie zitterten auf einem Meere, und Schiff und Mannschaft waren in Sturmgefahr.
Denn es sollte eine Zeit eintreten, in der die hageren Vogelscheuchen jenes Stadtteils in ihrem Müßiggang und Hunger dem Lampenwärter so lange zugesehen hatten, daß ihnen der Gedanke kam, seine Methode zu verbessern und an jenen Seilen und Rollen Menschen in die Höhe zu ziehen, damit sie grell hineinleuchten möchten in die Dunkelheit ihres Schicksals. Doch die Zeit war noch nicht da, und jeder Wind, der über Frankreich hinblies, schüttelte vergeblich die Lumpen der Vogelscheuchen; die Vögel mit ihrem schönen Gesang und Gefieder ließen sich nicht warnen.
Der Weinschank war ein Eckhaus von besserem Aussehen als die meisten anderen, und der Besitzer stand in gelber Weste und grünen Beinkleidern vor der Tür und sah dem Kampf um den ausgelaufenen Wein zu. »Geht mich nichts an«, sagte er schließlich mit einem Achselzucken. »Die Lieferung geschah auf Gefahr des Verkäufers; er mag für eine andere sorgen.«
Seine Augen fielen zufällig auf den langen Spaßmacher, der mit seinem Witz die Wand bekleckste, und er rief ihm über die Straße hinüber zu:
»He, Gaspard, was macht Ihr da?«
Der Bursche zeigte auf seinen Witz mit großer Wichtigtuerei, wie das solche Kerle an sich haben. Aber das nützte ihm nichts, er machte keinen Eindruck, wie es solchen Spaßmachern häufig ergeht.
»Was soll das? Seid Ihr denn fürs Tollhaus reif?« sagte der Weinwirt, über die Straße hinübergehend und den Spaß mit einer Handvoll Gassenschmutz
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