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Eine Geschichte aus zwei Städten

Eine Geschichte aus zwei Städten

Titel: Eine Geschichte aus zwei Städten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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sagte Mr. Cruncher feierlich und mit predigtartiger Salbung, »daß irgend etwas, was ich je gesagt oder getan habe, jetzt meinen ehrlichen Wünschen für diese armen Menschen abgezogen würde. Verhüte Gott, daß wir nicht alle gern niederknien möchten (wenn es irgend anginge), um aus den schrecklichen Gefahren hier herauszukommen. Gott verhüt es – und noch einmal, Gott verhüt es!« So lautete sein Schlußsatz, nachdem er lange vergeblich sich besonnen, um irgendeinen besseren zu finden. Madame Defarge aber ging ihres Weges durch die Straßen und kam näher und näher.
    »Wenn wir je wieder in die Heimat zurückkommen«, sagte Miß Proß, »so dürft Ihr Euch darauf verlassen, daß ich Mrs. Cruncher von dem, was Ihr mir so nachdrücklich gesagt habt, so viel mitteilen will, als ich behalten kann oder zu verstehen vermochte. Und jedenfalls dürft Ihr darauf bauen, daß ich Euch bezeugen werde, wie gründlich Ernst es Euch gewesen sei in dieser schrecklichen Zeit. Aber jetzt müssen wir uns besinnen. Mein guter Mr. Cruncher, laßt uns nachdenken.«
    Noch immer wandelte Madame Defarge durch die Straßen und kam näher und näher.
    »Meint Ihr nicht«, sagte Miß Proß, »es wäre am besten, wenn Ihr vorausgingt und das Gefährt nicht hierherkommen, sondern irgendwo auf mich warten ließet?«
    Mr. Cruncher hielt es für das beste.
    »Wo könnt Ihr auf mich warten?« fragte Miß Proß.
    Mr. Cruncher war so außer sich, daß er sich auf keine andere Örtlichkeit als auf Temple Bar besinnen konnte. Aber leider lag Temple Bar Hunderte von Meilen entfernt, und Madame Defarge war in der Tat schon sehr nahe.
    »An der Domkirchentür«, sagte Miß Proß. »Wäre es ein großer Umweg, wenn Ihr mich an der Tür, die sich zwischen den zwei Türmen befindet, aufnehmen müßtet?«
    »Nein, Miß«, antwortete Mr. Cruncher.
    »Dann seid doch so gut«, sagte Miß Proß, »und geht gleich nach dem Posthaus, um diese Änderung zu bestellen.«
    »Ich bin nur im Zweifel, wißt Ihr«, entgegnete Mr. Cruncher zögernd und den Kopf schüttelnd, »ob ich Euch verlassen darf. Wir wissen nicht, was vorfallen kann.«
    »Du mein Himmel, wir wissen das freilich nicht«, erwiderte Miß Proß; »aber habt keine Sorge um mich. Nehmt mich um drei Uhr oder ungefähr um diese Zeit beim Dom auf, und ich bin überzeugt, es ist besser, als wenn wir von hier aus abfahren. Ja, ich weiß es gewiß. So; jetzt behüt Euch Gott, Mr. Cruncher! Denkt nicht an mich, sondern an die, deren Leben vielleicht von uns beiden abhängt!«
    Diese Einleitung und die beiden Hände, mit denen Miß Proß in ihrer Herzensangst flehentlich die seinigen umfaßte, wirkten bestimmend auf Mr. Cruncher, der sofort mit einem ermutigenden Kopfnicken sich auf den Weg machte, um die beschlossene Änderung anzumelden, und es ihr überließ, ihrem eigenen Vorschlag gemäß nachzukommen.
    Es war für Miß Proß eine große Erleichterung, Anlaß zu
einer Vorsichtsmaßregel gegeben zu haben, deren Ausführung eben im Gange war. Die Notwendigkeit, ihr Äußeres so zu ordnen, daß sie in den Straßen keine besondere Aufmerksamkeit erregte, gab weiteren Anlaß zur Ablenkung. Sie sah auf ihre Uhr, und es war zwanzig Minuten nach zwei. Da gab es keine Zeit mehr zu verlieren; sie mußte sich beeilen.
    Während sie in ihrer äußersten Verstörtheit sich vor der Einsamkeit der verlassenen Zimmer fürchtete und durch jede offene Tür eingebildete Gesichter hereinschauen sah, holte sie ein Becken mit kaltem Wasser und begann sich ihre geschwollenen roten Augen zu waschen. Aber in ihrer fieberischen Angst konnte sie es nicht ertragen, ihre Augen für eine Minute durch das triefende Wasser verschleiert zu sehen; sie hielt daher alle Augenblicke inne und schaute zurück, um sich zu überzeugen, ob sie nicht beobachtet werde. In einer von diesen Pausen fuhr sie zusammen und schrie laut auf, denn sie sah eine Gestalt im Zimmer stehen.
    Das Becken fiel zu Boden und zerbrach, und das Wasser strömte zu Madame Defarges Füßen hin, als fühle es, daß es hier gelte, viele Blutflecken abzuwaschen.
    Madame Defarge sah sie unbewegt an und fragte:
    »Wo ist Evrémondes Weib?«
    Miß Proß schoß plötzlich der Gedanke durch den Kopf, daß sämtliche Türen offenstanden und daß es ganz nach Flucht aussah. Das erste, was sie tat, war daher, die Türen zu schließen. Es waren vier Türen im Zimmer. Dann stellte sie sich vor die Tür des Gemaches, das Lucie bewohnt hatte.
    Madame Defarges dunkle Augen folgten ihr

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