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Eine Geschichte aus zwei Städten

Eine Geschichte aus zwei Städten

Titel: Eine Geschichte aus zwei Städten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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Fleckchen zusammengesetzten Decke wie ein Harlekin in sei
nem Heimwesen. Anfangs schlief er tief; aber allmählich begann er im Bette hin und her zu wogen, bis er mit seinem Stachelhaar, das die Überzüge in Fetzen zu reißen drohte, an der Oberfläche auftauchte. Nachdem er so weit gekommen war, rief er in einem Tone, der grimmige Gereiztheit verriet:
    »Alle Hagel, macht sie das schon wieder!«
    Eine Frauensperson von ordentlichem und emsigem Aussehen erhob sich in einer Ecke von ihren Knien, und zwar mit einer Hast und Ängstlichkeit, die andeutete, daß sie die gemeinte Person sei.
    »Wie!« rief Mr. Cruncher, aus dem Bett heraus sich nach seinen Stiefeln umsehend, »machst du das schon wieder, he?«
    Nachdem er den Morgen mit diesem zweiten Gruß bewillkommnet hatte, warf er als dritten der Frau einen Stiefel nach. Es war ein sehr schmutziger Stiefel, und wir können hier eine sonderbare Eigentümlichkeit aus Mr. Crunchers häuslicher Ordnung berühren, daß er nämlich, während er oft nach den Bürostunden mit sauberen Stiefeln nach Hause kam, nicht selten beim Aufstehen dieselben Stiefel beschmutzt fand.
    »Nun«, rief Mr. Cruncher, nachdem er sein Ziel verfehlt hatte, mit einer Abwandlung seines Anrufes, »was tust du da, Widerwart?«
    »Ich habe nur mein Gebet gesprochen.«
    »Gebet gesprochen – du bist mir ein sauberes Weibsstück! Was soll das heißen, daß du dich hinschmeißt und gegen mich betest?«
    »Ich habe nicht gegen dich gebetet, sondern für dich.«
    »Ist nicht wahr. Und wenn's auch wahr wäre, so soll man sich doch mit mir keine solche Freiheit erlauben. Hörst du, Jerry, deine Mutter ist eine feine Person und geht hin, um gegen deines Vaters Wohlfahrt zu beten. Ja, mein Sohn, du hast eine pflichtgetreue Mutter, du hast eine fromme Mutter, Junge –
sie geht hin, plumpst auf den Boden und betet, daß ihrem einzigen Kinde das Butterbrot aus dem Munde genommen werden möge!«
    Der junge Herr Cruncher, der im Hemde dastand, nahm dies sehr übel und verbat sich, gegen seine Mutter gewandt, alles auf seine persönliche Verköstigung sich beziehende Gebet. »Und was meinst du, du eingebildetes Weib«, fuhr Mr. Cruncher in nicht geahntem Widerspruch fort, »was wohl dein Gebet wert sein mag? Sag, wie hoch schlägst du dein Gebet an?«
    »Es kommt nur aus dem Herzen, Jerry, und ist nicht mehr wert als das.«
    »Nicht mehr wert als das?« wiederholte Mr. Cruncher. »Dann ist's mit seinem Werte nicht weit her. Wie dem übrigens sei, ich erkläre dir, daß nicht gegen mich gebetet werden soll. Ich kann das nicht brauchen für meine Haushaltung und will mich nicht durch deine Schleicherei unglücklich machen lassen. Wenn du dich schon hinschmeißen willst, so tue es für deinen Mann und dein Kind und nicht gegen sie. Hätte ich nicht ein so unnatürliches Weib und dieser arme Knabe eine unnatürliche Mutter, so wär mir sicherlich in der letzten Woche einiges Geld zugeflossen, statt dessen aber muß ich gegen mich beten, mich unterminieren und auf die schlimmste religiöse Weise zugrunde richten lassen. Hol mich der Henker«, sagte Mr. Cruncher, der diese ganze Zeit über damit beschäftigt gewesen war, sich anzuziehen, »wenn ich nicht durch die Frömmigkeit und dies und jenes letzte Woche in so schlimmes Malheur hineingejagt worden bin, wie es nur je einem armen Teufel und ehrlichen Geschäftsmann zugestoßen ist! Vorwärts, Jerry, zieh dich an, Bursche, und hab von Zeit zu Zeit, während ich meine Stiefel putze, ein wachsames Auge auf deine Mutter. Merkst du, daß sie wieder niederplumpsen will, so ruf mich an; denn ich sage dir« – dies galt seinem Weibe –, »ich
leid's nicht, daß man mir immer so kommt. Ich werde so wackelig wie eine Mietkutsche, so schläfrig wie ein Laudanum, und meine Glieder müssen dran, daß ich, wenn sie mir nicht so weh täten, nicht wüßte, ob sie mir oder jemand anderm gehören; und doch fährt bei alledem meine Tasche nicht besser. Drum glaube ich, du hast vom Morgen bis in die Nacht meinen Verdienst gehindert, so daß ich nicht vorwärtskommen kann. Nun, was sagst du jetzt?«
    Unter weiterem ärgerlichem Geknurr – »Ah, ja. Du bist fromm. Du willst nicht gegen die Interessen deines Mannes und Kindes handeln – du natürlich nicht« – und unterschiedlichem Funkensprühen von dem schnurrenden Schleifstein seiner Entrüstung machte er sich ans Stiefelputzen und an die allgemeinen Vorbereitungen für sein Geschäft. Mittlerweile besorgte sein Sohn, dessen Kopf

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