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Eine Geschichte der Welt in 100 Objekten

Eine Geschichte der Welt in 100 Objekten

Titel: Eine Geschichte der Welt in 100 Objekten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neil MacGregor
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Museum, ist bestens vertraut mit dieser Malerei und ihrem Zweck:
    «Die Rolle steht in der Tradition didaktischer Bildkunst, die zur Zeit der Han-Dynastie entstand und durch den großen Philosophen Konfuzius beeinflusst war. Liest man den neben den Bildern stehenden Text, merkt man, dass hier eine tiefe Botschaft vermittelt wird. Konfuzius propagierte die Vorstellung, dass jedem ein ganz bestimmter Platz und eine bestimmte Rolle in der Gesellschaft zukomme, und wenn die Menschen sich daran hielten, entstehe daraus mit Sicherheit eine gesunde und effektive Gesellschaft. Diese Botschaft muss besonders dringlich gewesen sein zu der Zeit, da das Gedicht, auf dem diese Bildrolle basiert, verfasst wurde. Sie lautet: Die Frau, mag sie auch noch so schön sein, muss stets Demut bekunden, muss sich immer an die Regeln halten und darf niemals vergessen, welche Stellung sie gegenüber ihrem Ehemann und der Familie einnimmt. Tut siedas, leistet sie einen positiven und aktiven Beitrag zur Beförderung der gesellschaftlichen Ordnung.»
    In der
Ermahnung der Hofdamen
finden wir unter anderem den Hinweis, eine Dame solle niemals die Verhaltensweisen oder Schwächen ihres Mannes ausnutzen. Eine Dame solle sich einzig und allein vor den Kaiser stellen, um ihn vor einer Gefahr zu beschützen. Eine andere Szene auf der Bildrolle stellt ein reales Ereignis dar, als ein wilder Schwarzbär während einer Vorführung, die für den Kaiser und die Damen seines Harems gegeben wurde, aus seinem Käfig entkam. In dieser Szene sehen wir zuerst, wie zwei Haremsdamen vor dem Tier fliehen und sich zutiefst erschrocken nach hinten umblicken. Als nächstes sehen wir den Kaiser auf seinem Platz sitzend, vor Schreck erstarrt, und vor ihm eine beherzte Dame, die nicht davongelaufen ist, sondern sich zwischen den Kaiser und das Tier gestellt hat, das sich wild knurrend auf sie stürzt. Doch der Kaiser ist sicher. Diese Art von Selbstaufopferung, so verkündet uns das Bild, brauchen und erwarten wir von unseren großen Damen.
    Diese Bildrolle wurde stolzer Besitz zahlreicher Kaiser, die sie vermutlich als nützliches Hilfsmittel betrachtet haben, um störrische Ehefrauen und Gespielinnen in die Schranken zu weisen, aber auch die Schönheit dieses Kunstwerks bewunderten und mit dieser Preziose demonstrieren wollten, wie kulturell aufgeschlossen und mächtig sie waren. Wir wissen genau, an welchen Höfen man die Rolle angeschaut hat, denn jeder Herrscher hat sein Zeichen darauf hinterlassen in Form eines Stempelabdrucks, der sorgsam im Leerraum um die Malereien und die Kalligraphie herum platziert wurde. Einige der früheren Besitzer haben zudem ihre eigenen Kommentare auf der Bildrolle festgehalten. Daraus ergibt sich eine Form von Vergnügen, die man beim Betrachten europäischer Gemälde niemals empfindet: das Gefühl, das eigene Entzücken mit Menschen aus längst vergangenen Zeiten zu teilen, nunmehr zu einer Gemeinschaft feinsinniger Kunstliebhaber zu gehören, die diese Malerei über Jahrhunderte geliebt haben. So fasst beispielsweise Qianlong, Kaiser des 18. Jahrhunderts und ein Zeitgenosse König Georgs III., sein Gefallen so zusammen:
    «Gu Kaizhis Bild von den
Ermahnungen der Lehrerin
, mit Text. Authentisches Relikt. Ein Schatz von göttlicher Qualität, der zum Inneren Palast gehört.»
    Das Relikt war so begehrt, dass nur einer sehr kleinen Zahl von Menschen überhaupt je Zugang dazu gewährt wurde. Das gilt auch heute noch, allerdings aus einem ganz anderen Grund: Die Seide, auf der diese Malerei angefertigt wurde, leidet sehr, wenn sie dem Licht ausgesetzt ist, deshalb wird das Objekt nur ganz selten ausgestellt. Zwar dürfen wir keinen eigenen Stempelabdruck hinterlassen, um unser Entzücken zu bekunden, doch dank moderner Reproduktionstechniken können wir es alle dem Kaiser Qianlong und den anderen Menschen gleichtun, die es in der Vergangenheit so sehr genossen haben, die
Ermahnung der Hofdamen
zu betrachten. Mit Hilfe des Internets ist das Privatvergnügen des chinesischen Kaiserhofs universell zugänglich geworden.



40
Pfefferstreuer von Hoxne
    Silbergefäß, gefunden in Hoxne, Suffolk, England
350–400 n. Chr.
    Jahrtausendelang waren die Westeuropäer verzückt von den Gewürzen des Orients. Lange bevor der Curry zu einem britischen Nationalgericht wurde, träumten wir davon, unser langweiliges Inselessen mit Hilfe exotischer Aromen aus Indien aufzuwerten. Der Dichter George Herbert dachte bei der Wendung vom «Land der

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