Eine Geschichte der Welt in 100 Objekten
Porzellan wurde zu einem wichtigen Bestandteil des eleganten Haushalts, während quer durch die Gesellschaft weniger kostspielige Versionen aus Ton – wie unser Objekt hier – Verbreitung fanden.
Als der Tee billiger wurde, wurde er rasch auch in der Arbeiterklasse populär. Um 1800 war er, wie ausländische Besucher feststellten, das neue Nationalgetränk. Um 1900 lag der durchschnittliche Teeverbrauch pro Kopf in Großbritannien bei bemerkenswerten drei Kilogramm im Jahr. 1809 schrieb der Schwede Erik Gustaf Geijer:
«Neben dem Wasser ist der Tee das eigentliche Element des Engländers. Alle Gesellschaftsschichten trinken ihn … am Morgen findet man vielerorts kleine Tischchen unter freiem Himmel aufgestellt, an denen Kohlenkutscher und Arbeiter ihre Tassen mit dem köstlichen Getränk leeren.»
Die herrschenden Klassen hatten ein ganz handfestes Interesse daran, das Teetrinken unter der wachsenden städtischen Bevölkerung populär zu machen, die arm und anfällig für Krankheiten war und vermeintlich zu hemmungsloser Trinksucht neigte. Bier, Portwein und Schnaps waren fester Bestandteil der Ernährung von Männern, Frauen und sogar Kindern, nicht zuletzt deshalb, weil Alkohol mit seiner leicht antiseptischen Wirkung ein deutlich weniger gefährliches Getränk war als das verschmutzte Trinkwasser in den Städten. Doch im 19. Jahrhundert stellte der Alkohol ein großes soziales Problem dar. Geistliche und Abstinenzbewegungen machten gemeinsame Sache und propagierten dieVorzüge des Tees. Eine Tasse süßen Tees mit Milch war billig, stärkend, erfrischend und schmeckte überdies sehr gut. Celina Fox macht deutlich, dass der Tee aber auch ein wunderbares Instrument sozialer Kontrolle war:
«Enthaltsamkeit und Trinken waren für die Viktorianer ein großes Thema. Der Wunsch nach einer arbeitenden Bevölkerung, die nüchtern und fleißig war, war ausgesprochen stark, und in diese Richtung gab es jede Menge Propaganda. Gleichzeitig wurde Nüchternheit mit Dissens, methodistischem Glauben und so weiter in Verbindung gebracht, und Tee war tatsächlich das Getränk der Wahl. Das Ganze spielt sich also auf zwei Ebenen ab: Widerspruch und der Wunsch nach einer aufrechten Arbeiterschaft, die pünktlich in die Fabrik kommt und nicht sturzbetrunken ist, was seit jeher ein britisches Problem zu sein scheint, und obendrein hat man dann noch das Ritual des Nachmittagstees. Das Teetrinken wird im 19. Jahrhundert also in der Tat zu einem massiven Thema.»
Als der Tee das Bier als Nationalgetränk Nummer eins ersetzte, wurde er zum Symbol des neuen britischen Charakters – freundlich und seriös, ohne die alte lärmende Geselligkeit. Ein anonymes Abstinenz-Gedicht aus dem 19. Jahrhundert bringt es folgendermaßen auf den Punkt:
«In Zeiten, fern und ungeboren noch,
schmücken deine Verehrer Britannien doch,
bis Bacchus seinen Kranz zieht ein
und Lieb’ und Tee besiegen den Wein.»
Doch hinter einer besinnlichen, ruhigen Tasse Tee steckt ein hohes Maß an Gewalt. Als der gesamte Tee für Europa aus China kam, tauschte die britische Ostindienkompanie Opium gegen Silber und kaufte mit diesem Silber Tee. Der Handel war so bedeutsam, dass er beide Länder in einen Krieg stürzte. Der erste dieser Konflikte, die wir immer noch als Opiumkriege bezeichnen – obwohl es dabei mindestens genauso sehr um Tee ging –, brach in etwa zur gleichen Zeit aus, als unsere Teekanne die Fabrik von Wedgwood verließ. Nicht zuletzt aufgrund dieser Schwierigkeiten mit China begannen die Briten in den 1830er Jahren damit, in der Gegend um Kalkutta Plantagen anzulegen, und der indische Tee war von Einfuhrzöllen befreit, um die Nachfrage anzukurbeln. Der patriotische Tee der Briten war nun der dunkle, starke Assam – und er war eine Stütze des Empire. Im weiteren Verlauf des Jahrhunderts entstanden weitere Teeplantagen in Ceylon,dem heutigen Sri Lanka, und eine große Zahl von Tamilen wurde aus dem Süden Indiens als Arbeitskräfte auf die Insel gebracht. Monique Simmonds vom Botanischen Garten in Kew beschreibt, welche Auswirkungen das hatte:
«Damals wurden Hunderte von Hektar für den Teeanbau nutzbar gemacht, vor allem in den nördlichen Teilen Indiens. Doch auch in Ceylon begann man erfolgreich Tee zu kultivieren. Das hatte natürlich Auswirkungen auf die lokale Bevölkerung, aber es brachte immerhin Arbeitsplätze in die Region, auch wenn diese eher schlecht bezahlt waren – stellte man zunächst vor allem Männer ein, so waren es
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