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Eine Geschichte von Liebe und Feuer

Eine Geschichte von Liebe und Feuer

Titel: Eine Geschichte von Liebe und Feuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Victoria Hislop
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sagte der Dolmetscher. »Euch ist doch klar, dass vielen Juden schon ihr Geschäft weggenommen wurde?«
    Da der junge Mann sicher war, dass die Deutschen kein Wort Griechisch verstanden, konnte er ganz offen mit Saul Moreno sprechen.
    Â»Ich glaube allerdings nicht, dass sie das hier vorhaben. Wenn Sie vorsichtig sind, sollte alles in Ordnung sein«, fügte er hinzu.
    Die Offiziere wollten jeden Raum sehen. Die Schneider und Schneiderinnen hielten automatisch mit der Arbeit inne und standen auf, als sie eintraten. Dies geschah nicht aus Respekt, sondern einfach, weil es ihnen am sichersten erschien.
    Der jüngere der beiden Offiziere strich mit der Hand über die Stoffballen im Lagerraum. Er schien sich besonders für einige der feineren Wollstoffe zu interessieren und blieb stehen, um sie näher in Augenschein zu nehmen. Schließlich zog er eine Rolle heraus und ließ sie mit dumpfem Schlag auf den Zuschneidetisch fallen.
    Â»Dieser« , bellte er.
    Â»Sie möchten Anzüge, verstehen Sie«, erklärte der Dolmetscher Saul Moreno. »Bei Ihrem Können sollten Sie sicher sein. Sie haben kein Interesse, Sie hier rauzuwerfen. Es geht nicht um den Stoff – den könnten sie überall bekommen –, sondern um Ihre Handwerkskunst. Ihr Können hat sich bis zu den Nazis herumgesprochen. Sie haben Glück! Also, machen Sie sich ans Maßnehmen.«
    Saul Moreno rief seinen besten Herrenschneider herbei, und mit fast untertäniger Aufmerksamkeit begannen sie, die Maße zu notieren.
    Der Dolmetscher wechselte fließend zwischen Griechisch und Deutsch hin und her und sprach mit offensichtlicher Ehrerbietung und großer Höflichkeit mit den beiden Offizieren.
    Zwischen Saul Moreno und dem älteren der zwei Offiziere entspann sich eine merkwürdige Unterhaltung.
    Â»Ich will Ihnen sagen, wie ich von Ihnen erfahren habe …«, begann der Offizier.
    Genüsslich beschrieb er das Haus, das sie für sich requiriert hatten.
    Â»Es ist in der Nähe des Weißen Turms«, sagte er. »Ein wundervoller Ort, und die Familie ist sehr kultiviert und ungemein gastfreundlich. Sie haben zwei Töchter und einen wunderbaren Steinway-Flügel – und eine exzellente Köchin im Haus.«
    Es gab nicht viele Leute in Thessaloniki mit einem Steinway-Flügel. Isaac, der seinem Vater nicht von der Seite gewichen war, tauschte einen Blick mit ihm aus.
    Im nächsten Moment bestätigte der Offizier, was sie bereits erraten hatten.
    Â»Ich machte Frau Levi ein Kompliment über ihr Kleid. Es sah aus, als stammte es vom besten Couturier in Berlin oder sogar Paris«, sagte er. »Also hat sie uns ihre gesamte Garderobe gezeigt, endlose Reihen herrlicher Kleider – und alle trugen Ihr Etikett! In den nächsten Monaten kommt meine Frau hoffentlich her, und ich bin sicher, dass Ihr Atelier ihr erster Anlaufpunkt sein wird. Gratulation!«
    Darauf meldete sich der jüngere Offizier zu Wort. »Und dann warfen wir einen Blick auf Herrn Levis Anzüge. Schade, dass uns die Hosen bloß bis zur Wade reichten. Wir wären nicht hier, wenn er größer wäre!«
    Es folgte ein Satz, den der junge Grieche nicht übersetzte, und die Offiziere lachten.
    Bei dem Gedanken, dass die beiden die Schränke eines seiner besten Kunden durchsucht hatten, der im Moment im Gefängnis saß, wurde dem Schneider übel.
    Dann wandte sich der Dolmetscher an Saul Moreno. »Ich nehme an, dass sie Ihr Atelier ihren Kameraden empfehlen. Wenn Sie gute Arbeit leisten, haben sie keinen Grund, Ihr Geschäft zu schließen. Sie werden Ihnen nicht den üblichen Preis bezahlen, aber ich denke, Sie haben nichts zu befürchten. Diese Offiziere sind eitle Gockel, also sorgen Sie dafür, dass sie möglichst elegant aussehen.«
    Sobald sie fort waren, rief Saul Moreno seine Angestellten zusammen. Alle hatten die deutschen Offiziere gesehen.
    Â»Wir haben ein paar neue Kunden«, erklärte er ihnen, »und wir müssen sicherstellen, dass wir unser Bestes geben.«
    Alle gingen wieder an die Arbeit zurück, aber die Anspannung war mit Händen zu greifen. Alle im Atelier waren Juden, außer Katerina. Zur Ablenkung legte jemand eine neue Rembetiko-Platte auf, drehte aber die Lautstärke herunter.
    Obwohl bei Nacht wegen der Ausgangssperre eine seltsame Stille herrschte, wimmelte es tagsüber in einigen Stadtvierteln vor Leben. Zehntausende

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