Eine Geschichte von Liebe und Feuer
Und das Atelier der Morenos war wie ein Kokon, in dem sich so weiterleben lieÃ, als hätte sich nichts geändert. Sobald man sich über seine jeweilige Arbeit beugte, half einem die Konzentration, sich von der AuÃenwelt abzu schotten.
»Vielleicht kommt Elias bald zurück?«, fragte Katerina.
Sie wusste, dass ihre Arbeitgeber wegen ihres jüngeren Sohns schlaflose Nächte verbrachten, und nun, da die Deutschen einmarschiert waren, hoffte Katerina, dass er und Dimitri bald nach Hause kämen. Was blieb ihnen schlieÃlich noch zu tun? Die Deutschen befanden sich auf dem Marsch nach Athen, und die Griechen waren geschlagen, auch wenn es die meisten nicht wahrhaben wollten.
»Das hoffe ich, Katerina«, sagte Roza mit einem Anflug von Lächeln. »Das hoffe ich so sehr.«
In der Zwischenzeit war es wichtig, sich nicht unterkriegen zu lassen, und in dieser Woche warteten sie trotz Esther Morenos offenkundiger Missbilligung nicht, bis es Abend war, bevor sie das Grammofon anstellten. Sofia Vembos wun derschöne Stimme schallte durch ihren Arbeitsraum und munterte alle auf, während sie im Takt zur Musik nähten.
So ging in den ersten Wochen nach dem Einmarsch das Leben fast normal weiter, abgesehen davon, dass es praktisch schlagartig kein Olivenöl und keinen Käse mehr zu kaufen gab.
»Ich bin sicher, das alles taucht bald wieder in den Regalen auf«, sagte Eugenia zuversichtlich zu Katerina. Sie hatte schon oft Mangelzeiten erlebt.
Für Katerina zeigte sich der erste einschneidende Hinweis auf den Wandel darin, dass das herrliche Brautkleid, das sie fast fertig hatte, nicht mehr an der Kleiderpuppe im Atelier hing. Es war entfernt worden.
»Wo ist â¦?«, setzte Katerina mit einem Anflug von Ãrger in der Stimme an, als sie auf die nackte Kleiderpuppe zuging.
Sie drehte sich zu Roza Moreno um und sah, dass sie weinte.
»Ich habe es einstweilen weggeräumt«, antwortete sie und tupfte sich mit einem Taschentuch die Augen ab. »Die Hochzeit ist verschoben worden.«
Katerina war sprachlos. Sie hatte vier Monate lang an dem Kleid gearbeitet und wusste, dass es Ende Mai fertig sein sollte.
»Aber warum? Was ist passiert?«
Katerinas Mund war wie ausgetrocknet. Etwas Schreckliches musste der armen Braut geschehen sein.
Roza Moreno rang die Hände. Ein paar andere Angestellte waren in den Arbeitsraum gekommen, und alle stellten dieselbe Frage.
»Wo ist das Kleid?«
Das Brautkleid war für alle in den Mittelpunkt gerückt. Selbst für ein Atelier wie das der Morenos hatte es ungewöhnliche Anforderungen an ihr Können gestellt. Die Braut, Allegra Levi, die erst letzte Woche nochmals zur Anprobe da gewesen war, hatte sich in den Kopf gesetzt, wie eine europäische Prinzessin auszusehen, und das war ihnen gelungen.
Roza Moreno setzte zu einer Erklärung an. Sie sprach leise, als sollte sie auÃerhalb des Raums niemand hören.
»Sie haben Kyrios Levi eingesperrt.«
Eine Flut von Fragen ging auf sie nieder. »Wann?« »Warum?« »Was ist passiert?«
»Er ist nicht der Einzige. Sie haben auch andere Ratsmitglieder und weitere Persönlichkeiten eingesperrt. Völlig grundlos.«
Isaac war in den Raum gekommen.
»Es gibt einen Grund, Mutter, und wir alle kennen ihn«, sagte er unverblümt. »Es ist, weil sie Juden sind.«
Alle schwiegen. Das Gespenst des Antisemitismus war zu rückgekehrt, und die Hoffnung, sie könnten so weitermachen, als wäre alles »normal«, endgültig verflogen. Innerhalb eines Monats kam es zu weiteren antijüdischen MaÃnahmen. Die Juden mussten ihre Radios abgeben. Saul Moreno interessierte sich kaum für die Musik, die dort gespielt wurde, aber er hörte immer Nachrichten.
»Wir geben es einfach nicht ab«, sagte Isaac. »Das kriegen sie doch nicht raus?«
»Das ist ein zu groÃes Risiko«, erwiderte sein Vater.
»Aber sie haben nicht gesagt, dass wir kein Grammofon haben dürfen, oder?«, wandte Roza Moreno ein. »Also werde ich es verstecken. Wir lassen uns unsere Musik nicht wegnehmen.«
Drei Tage später hatten sie den ersten Besuch von zwei deutschen Offizieren. Sie wurden von einem jungen Griechen begleitet, der dolmetschte.
Nachdem sie befehlsgemäà ihr Radio abgegeben hatten, wussten die Morenos nicht, was die Deutschen von ihnen wollten.
»Sie sind hier, um eure Räume zu inspizieren«,
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