Eine Geschichte von Liebe und Feuer
doch meinen Sohn«, sagte sie mit belegter Stimme. »Daher weià ich, was er tun wird.«
Dimitri legte die Arme um seine Mutter.
»Ich hoffe, du findest richtig, was ich tue.«
»Du willst Griechenland verteidigen, Dimitri. Natürlich ist das richtig. Und du bist jung und stark. Wer sonst sollte es tun, wenn nicht du?«
»Ein paar Freunde von mir sind auch noch dabei. Ich mache es also nicht ganz allein«, sagte er, um einen scherzhaften Ton bemüht.
Olga versuchte zu lächeln, doch als ihr das nicht gelang, wandte sie sich ab und ging zu dem vergoldeten Sekretär an der Wand. Sie öffnete eine der Schubladen und nahm einen braunen Umschlag heraus.
»Das wirst du brauchen«, sagte sie.
Dimitri nahm den Umschlag, ohne sich zu zieren. Aufgrund der Dicke des Kuverts wusste er, dass sehr viel Geld darin war. Seine Freunde und er würden es brauchen.
»Danke, Mutter.«
Es brachte nichts, einen Abschied hinauszuzögern, der für beide unerträglich war. Olga stand aufrecht und mit so fest vor der Brust verschränkten Armen da, dass sie kaum noch Luft bekam. Nur auf diese Weise gelang es ihr, nicht die Beherrschung zu verlieren. Auf keinen Fall wollte sie weinen.
Sie warf einen letzten Blick auf ihren Sohn und bedeutete ihm mit einem Nicken, dass er gehen sollte.
Er küsste sie auf die Stirn und verlieà den Salon. Pavlina steckte ihm etwas Essen zu, und mit ein paar Kleidungsstücken und Büchern verlieà er eilig das Haus.
Am Tag darauf war im Atelier der Morenos ausschlieÃlich von Eliasâ Weggang die Rede. Saul Moreno war sichtlich beeindruckt von der Tapferkeit seines Sohnes und lieà alle männlichen Mitarbeiter wissen, dass er sie unterstützen würde, wenn sie die gleiche Entscheidung träfen. Zwei von ihnen kamen am folgenden Tag nicht zur Arbeit. Sie waren Eliasâ Beispiel gefolgt und meldeten sich. Alle waren stolz auf ihre Kollegen und wussten, dass sie sich Tausenden jungen jüdischen Männern angeschlossen hatten, die in den Kampf zogen.
Schon bald gab es schlechte Nachrichten von der Front. Die Armee litt unter schrecklichem Mangel, was Ausrüstung und Versorgung anbelangte, und wegen der eisigen Kälte und der starken Schneefälle in den Bergen wurde die Lage zunehmend schwieriger. Den meisten Soldaten fehlte es zudem an Erfahrung, die sie so schnell wie möglich nachholen mussten.
Katerina fragte sich, wie Olga Komninou die Entscheidung ihres Sohnes verkraftet hatte. Bestimmt war sie genauso besorgt wie Roza Moreno. Auf dem Heimweg machte sie einen Umweg zu der kleinen Kirche von Agios Nikolaos Orfanos und zündete dort zwei Kerzen an. Sie starrte in die Flammen und betete inbrünstig für die Sicherheit von Dimitri und Elias. Elias und Dimitri. Sie tat sich schwer bei der Reihenfolge der Namen.
Die Tage vergingen, und alle warteten auf Neuigkeiten. Im Atelier der Morenos wurde weitergenäht. Nähen war für Frauen schon immer eine Ablenkung gewesen, wenn ihre Männer in den Krieg zogen.
Katerina hatte gerade mit der Arbeit an einem sehr aufwendigen Auftrag begonnen: dem Brautkleid für die Tochter einer reichen jüdischen Familie, die in einem der gröÃten Herrenhäuser in Thessaloniki wohnte, das an Pracht selbst die Komninos-Villa übertraf.
Das weiÃe Geriesel der Spitzen auf ihrem Schoà lieà Katerinas Gedanken zu den zerklüfteten Bergen wandern, wo im Moment die Gefechte stattfanden. Es kursierte eine Menge furchtbarer Geschichten über die Front, und jeder, der einen geliebten Menschen dort hatte, fürchtete die Folgen des bitteren Frosts ebenso wie die Kugeln der italienischen Feinde. Katerinas Augen füllten sich mit Tränen.
Plötzlich spürte sie einen scharfen Schmerz. Sie hatte sich in den Finger gestochen, und bevor sie sich versah, war ein Blutstropfen auf den Stoff gefallen. In dem ansonsten jungfräulichen WeiÃ, das sich über ihrem Schoà ausbreitete, war jetzt ein roter Fleck. Katerina war entsetzt. Schnell wickelte sie einen Stoffrest um den Finger, um die Blutung zu stillen, aber sie konnte nichts tun, um den Fleck ungeschehen zu machen. Ganz am Anfang ihrer Ausbildung hatte ihr Roza Moreno gesagt, dass es nichts auf der Welt gäbe, um einen Blutfleck zu entfernen. Die einzige Lösung bestehe darin, ihn zu verdecken. Also begann sie, die erste von etwa hundert Perlenblüten zu sticken, in der Hoffnung, die Braut
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