Eine Geschichte von Liebe und Feuer
bulgarischer Flüchtlinge strömten in die Stadt, was die riesige Zahl von Menschen, die ohnehin schon am Existenzminimum lebten, noch weiter ansteigen lieÃ. Weizen, Käse, Nüsse, Ãl, Oliven und Früchte wurden von den Deutschen beschlagnahmt, weshalb die Schlangen an den Suppenküchen immer länger wurden. Güter, die einmal aus den Regalen verschwunden waren, tauchten nie wieder auf, und selbst Grundnahrungsmittel konnten nur auf dem Schwarzmarkt erworben werden.
Am Abend jenes Tages, als die Nazi-Offiziere im Atelier gewesen waren, ging Katerina mit Roza Moreno nach Hause. Als sie an einer der Konditoreien in der Nähe der IrinistraÃe vorbeikamen, lehnte ein Schild im Schaufenster. Vielleicht hatte es schon seit Tagen dort gelehnt â sie war sich nicht sicher â, oder es fiel ihr bloà deswegen auf, weil es sonst in der Auslage nichts gab.
JUDEN HIER NICHT WILLKOMMEN.
So stand es in groÃen, schwarzen Buchstaben geschrieben, kalt und unverblümt. Katerina konnte sich gerade noch zurückhalten, nicht auf der Stelle in den Laden zu marschieren und die Leute zur Rede zu stellen.
Roza Moreno hatte das Schild nicht bemerkt. Katerina hängte sich bei ihr ein, und die beiden Frauen gingen weiter in die Altstadt hinauf. Sie redeten über die neueste Nachricht, dass Athen gefallen war und eine Hakenkreuzfahne auf der Akropolis wehte. Dies war das endgültige Symbol der Niederlage.
Auf den StraÃen war es ruhig. Selbst am frühen Abend zeigten die Leute wenig Lust, sich drauÃen aufzuhalten, und die Schritte der beiden hallten unheimlich durch die leeren Gassen.
»Was immer auch mit unserem Land passiert, meine Liebe«, sagte Roza, als sie der IrinistraÃe näher kamen, »wir haben immer noch uns.«
Bald darauf erschienen die Offiziere wieder im Atelier, um ihre Anzüge anzuprobieren, und waren so begeistert, dass sich jeder vier weitere bestellte. Danach setzte ein stetiger Fluss deutscher Kunden ein. Für jeden Auftrag, den ein griechischer Kunde zurückzog, sprang ein deutscher Kunde ein. Die Offiziere blätterten die Modemagazine durch und studierten die Entwürfe an den Wänden. Nachdem sie die MaÃe ihrer Ehefrauen und Freundinnen übermittelt hatten, machten sich die Zuschneider ans Werk. In Deutschland gab es keine Stoffe mehr, die mit den hiesigen konkurrieren konn ten, und sie schickten Kleider nach Hause wie Touristen Postkarten. Besonders beeindruckt waren sie von Komninosâ Seide, und obwohl sie nicht die Preise bezahlten, die Moreno gewöhnt war, machte er keinen Verlust. Zumindest musste niemand hungern im Atelier.
Die modistras brachten wenig Begeisterung auf für diese Arbeit. Sie erfanden nichts Originelles und Kreatives, verwendeten bloà einfachste Standardstiche, und ihre Rüschen genügten höchstens dem Durchschnitt. Das Gleiche galt für Perlen- und Litzenbesatz. Dennoch waren die Deutschen immer hingerissen von dem Ergebnis, und die Frauen freuten sich heimlich, dass sie nicht alles gegeben hatten. Doch es fühlte sich leer und stumpfsinnig an, nur für den reinen Broterwerb zu arbeiten.
Inzwischen saÃen sie näher am Grammofon, das leise gedreht war, damit niemand auÃerhalb des Raums etwas hören konnte. Wenn ein Deutscher ins Atelier kam, klopfte jemand laut an die Tür, und das Gerät wurde schnell in einen Schrank gepackt und ein Tuch darüber gedeckt.
In einer Stadt, wo die Menschen inzwischen alles verkauften, was sie besaÃen, um sich Essen zu besorgen, gehörten die Angestellten von Moreno & Söhne zu den wenigen Privilegierten. Andere Leute gaben Ãlgemälde und Teppiche für einen Laib Brot und waren noch froh, wenn ihnen so ein Geschäft gelang, denn solcher Besitz war inzwischen fast wertlos geworden.
Doch es gab ein paar Objekte in Thessaloniki, die sich mit Gold nicht aufwiegen lieÃen. Bei dem Brand im Jahr 1917 , als ein GroÃteil der Stadt in Flammen aufgegangen war, hatten sich in den Synagogen einige wenige Kunstschätze erhalten. Ganze Bibliotheken und Archive waren verbrannt, und von wenigen Ausnahmen abgesehen, waren antike Thora- und rabbinische Schriften, die aus dem 15 . Jahrhundert aus Spanien stammten, verloren gegangen.
Ende Juni, etwa einen Monat nach der Verhaftung des Oberrabbiners der Stadt, kamen zwei elegant gekleidete Herren nach Thessaloniki und statteten den beiden Ãltesten der jüdischen Gemeinde einen
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