Eine Geschichte von Liebe und Feuer
Lagerhaus und bedienten sich dort aus den Beständen. Wie es aussah, war Konstantin Komninos nicht von der Knappheit betroffen, unter der alle anderen Geschäfte litten. Seine Seidenproduktion lief weiter, und seine Auswahl an Woll- und Leinenstoffen war nur geringfügig reduziert. Und so wurde nach dem MaÃnehmen im Atelier der Morenos einfach ein Bote losgeschickt, um bei Komninos die entsprechende Tuchmenge zu holen.
»Nun, wenigstens lenkt uns das Nähen von der Angst ab, was mit unseren Männern passieren könnte«, sagte eine der Näherinnen.
»Das meinst auch nur du«, antwortete eine andere. »Jedes Mal, wenn ich die Nadel in dieses Kleid steche, stelle ich mir vor, sie in den Deutschen zu rammen, der es bestellt hat.«
»Oder in die fette Gattin, die es tragen wird«, fügte eine weitere hinzu.
Katerina beteiligte sich nicht an den Gesprächen. Sie verbrachte ihre Zeit mit Tagträumen und fragte sich, wie es Dimitri ergehen mochte. Sie wusste, dass Roza Moreno während der langen Arbeitsstunden an Elias dachte, und die beiden Frauen spekulierten oft darüber, wo sich die Freunde wohl befanden, und hofften inständig, sie wären noch zusammen. Sie hatten jedenfalls nichts von ihnen gehört. Katerina war ein paarmal zu Olga zur Anprobe geschickt worden, aber auch sie hatte schon seit Monaten keinen Brief mehr erhalten.
Die Zeit im Atelier verstrich jetzt langsam. Ein deutscher »Kunde« hatte sie eines Tages dabei erwischt, wie sie bei ihren Rembetiko-Platten mitsangen.
»Die sind aufrührerisch!«, schrie er. Seine Worte mussten nicht übersetzt werden. Er packte ihre kostbaren Platten, zer brach eine nach der anderen über dem Knie und warf sie ver ächtlich zu Boden. Was einmal ihre Lieblingsmusik gewesen war, lag jetzt in Bruchstücken auf der Erde, die die verängs tigten Frauen später aufsammeln mussten. Bei seinem nächs ten Besuch brachte er ihnen eine Aufnahme von Wagners Liedern mit. Sein »Geschenk«, das mit groÃer Höflichkeit überreicht wurde, verschwand in einem Schrank. Alle stimm ten überein, dass ihnen Stille weitaus lieber war.
Neben der Anfertigung von Anzügen für deutsche Offiziere und Kleidern für deren Gattinnen gab es inzwischen noch andere Arbeit für sie. Da sich selbst mit Zuteilungsmarken nur noch wenige Leute Stoff für neue Kleider leisten konnten, wurde das Ãndern bereits vorhandener Stücke ein groÃes Geschäft. Aus den abgelegten Kleidern der Mütter lieÃen sich Mädchenkleider schneidern, und für Frauen und Männer, die zehn oder fünfzehn Kilo Gewicht verloren hatten, musste der Hosenbund oder die Taille eingenommen werden. Viele Kinder hatten nur noch Lumpen auf dem Leib, und die Angestellten verwendeten jetzt die Abende darauf, die Kleider zu sortieren und abzuändern, die wohlhabende Griechen gespendet hatten.
Während Katerinas flinke Finger mit alten und neuen Stoffen hantierten, ging der Winter allmählich in den Frühling über. Die Blüten an den Orangenbäumen brachen auf und erfüllten die StraÃen mit betörendem Duft, unabhängig von dem Schmutz und Tod in ihrem Schatten. Katerina blickte auf die weiÃen Blüten und war froh, dass Dimitri jetzt wenigstens nicht mehr mit Schnee und Kälte zu kämpfen hätte.
Roza und sie überlegten jeden Tag, wo er und Elias wohl sein mochten, und als der Frühling dem Sommer Platz machte und viele Soldaten heimgekehrt waren, kamen sie zu dem Schluss, dass sie sich wohl dem Widerstand angeschlos sen hatten. Auch wenn die griechische Armee den Deutschen nichts mehr entgegenzusetzen hatte, gab es genügend mutige Männer, die einen Guerillakrieg und Sabotageaktionen durchführen konnten.
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K aterina und Roza hatten mit ihrer Vermutung recht. Dimitri und Elias gehörten zu den Tausenden Soldaten, die sich sofort nach der Besetzung dem Widerstand angeschlossen hatten und nun in den Bergen Zentralgriechenlands ein hartes, entbehrungsreiches Leben führten. Sie hatten die Kälte, den schlimmsten Feind überhaupt, überlebt, aber nach endlosen Monaten in elenden Unterkünften träumten sie beide von einer Nacht im eigenen Bett.
Nach dem Einmarsch der Deutschen war den Armeeoffizieren befohlen worden, keinen Widerstand zu leisten, aber viele dieser Männer blieben entschlossen, den Feind zu besiegen, und wurden Mitglieder der von Kommunisten
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