Eine Geschichte von Liebe und Feuer
überlegen, was sie in ihre neuen Behausungen mitnehmen sollten. Denn man hatte ihnen gesagt, dass ihre Unterkünfte wahrscheinlich beengter wären als ihre jetzigen.
Katerina und Eugenia bekamen an diesem Abend Besuch von einigen Angestellten der Morenos.
»Können Sie das für uns aufbewahren?«
»Können Sie darauf aufpassen, bis wir wieder zu Hause sind?«
»Würde es Ihnen etwas ausmachen, etwas zu verstecken? Nicht für lange, hoffe ich!«
Die Menschen trugen ihre Bitten mit aufgesetzter Fröhlichkeit und gespielter Unbeschwertheit vor. Katerina und Eugenia wurden plötzlich zu Hütern von Broschen, Ringen und Anhängern. Sie hatten keinen sicheren Ort, um die Wertsachen zu verstecken, aber sie würden sie in Kissen einnähen, wo niemand sie finden würde. Jedes Kissen wurde mit einem Ornament bestickt, das aus den Initialen der Besitzer geformt war.
Am folgenden Tag besuchten Saul und Roza ihre Nachbarn. Katerina erwartete sie schon. Den Gegenstand, den Saul Moreno sorgsam auf den Armen trug, erkannte sie sofort. Es war der Quilt, in dem der antike Parochet eingenäht war. Wortlos nahm sie ihn entgegen und ging nach oben, um ihn über ihr Bett zu breiten. Roza Moreno reichte Eugenia die beiden Stickbilder.
»Würde es dir etwas ausmachen, sie bei dir an die Wand zu hängen?«, fragte sie.
»Natürlich nicht«, erwiderte Eugenia.
Die anderen Gegenstände packten sie in einen Koffer. Selbst wenn jemand die IrinistraÃe beobachtet hätte, hätte nichts irgendeinen Verdacht erregt. Die Morenos zogen aus und konnten eben nicht alles mitnehmen. Tatsächlich waren sie gezwungen, vieles von ihrer Habe zurückzulassen. Meh rere Teppiche, ein Bett, ein paar Stühle und eine ganze Wäschetruhe blieben in Nummer sieben zurück.
»Wir lassen das für Elias hier«, sagte Roza zu ihrem Mann. »Vielleicht kommt er ja vor uns wieder heim.«
Während der nächsten Tage waren alle umliegenden StraÃen voller Umzugswagen. Auf allen war verschiedenster Hausrat hoch aufgetürmt: Truhen, Stühle, Tische, Töpfe und Pfannen.
Trauer und Verzweiflung erfüllte die StraÃen. Der dichte Regen tat ein Ãbriges. Jeder ging gebückt unter der Last seiner Habe, selbst die Jungen wirkten wie Greise, und durch die Kennzeichnung mit den gelben Sternen glichen sie einer Herde auf dem Weg zur Schlachtbank.
Zehntausende waren auf den Beinen, und Mütter hielten ihre kleinen Kinder an der Hand, da man sich in der Menge leicht verlieren konnte.
Seit dem Weggang der Muslime lebten Christen und Juden in der IrinistraÃe einträchtig zusammen, und die Christen taten nun alles, um ihren ausziehenden Freunden beizustehen, genauso wie sie es vor zwanzig Jahren bei den Muslimen getan hatten. Es gab viele Umarmungen und von Herzen kommende Versprechen, sich zu besuchen.
»Ich sehe Sie morgen im Atelier«, sagte Katerina zu einer tränenüberströmten Roza Moreno. »Die Arbeit geht doch ganz normal weiter?«
»Ja, meine Liebe, ich denke schon«, erwiderte Roza bedrückt. Aber sie schien über Nacht um Jahre gealtert zu sein.
Während Katerina der Familie nachblickte, die sich die StraÃe hinunter entfernte, kam ihr plötzlich ein Gedanke. Wie sollte Elias seine Familie finden, wenn er zurückkam? Sie hoffte nur, sie wäre hier, um ihm zu erklären, was geschehen war.
Am nächsten Tag wirkte im Atelier der Morenos äuÃerlich alles ganz ruhig. Jedermann traf zur üblichen Zeit ein. Da es nicht viel Arbeit gab, ordnete Saul Moreno eine Inventur an, bei der alles bis hin zur letzten Nadel und zum letzten Stück Spitze erfasst werden sollte. Jeder hatte zu tun, und am Ende war das Atelier blitzsauber und makellos aufgeräumt. Jahrelang waren sie zu beschäftigt gewesen, um für solche Tätigkeiten Zeit zu haben, und Saul Moreno wäre es wahrscheinlich auch als unnötiger Aufwand vorgekommen.
Am Tag darauf kam Katerina pünktlich wie immer im Atelier an. Es war seltsam, den Weg allein zu gehen.
Als sie um die Ecke bog, wusste sie sofort, dass etwas nicht stimmte. Alle ihre Kollegen standen auf der StraÃe. Obwohl keiner Deutsch verstand, drängten sich alle um ein groÃes Plakat, das an die Tür geheftet war. Das Atelier selbst war mit einem schweren Vorhängeschloss verschlossen worden.
Katerina war genauso entsetzt wie die anderen. Die Deutschen hatten das
Weitere Kostenlose Bücher