Eine Geschichte von Liebe und Feuer
modistras und Schneidern war Katerina weiterhin vor allem mit Ãnderungen beschäftigt. Viele Leute wollten sich trotz ausgefranster Manschetten und abgetragener Stoffe ihre Würde bewahren, indem sie wenigstens in ihrer äuÃeren Erscheinung einen gewissen Standard aufrechterhielten. Im Atelier der Morenos berechnete man wenig für diese Dienste, und wenn es sich um Freunde handelte, wurde gänzlich auf eine Bezahlung verzichtet.
Es hatte Gerüchte gegeben, dass Juden in ganz Europa aus ihren jeweiligen Heimatländern deportiert worden seien. In Griechenland war es bisher noch zu keinen derartigen Aktionen gekommen, also sahen die Morenos keinen Grund anzunehmen, dass dieses Schicksal auch ihnen bestimmt sein könnte. Jedoch ganz so, als hätte es sich jemand zum Vorsatz für das neue Jahr gemacht, änderte sich dies im Januar 1943 . Ein Stellvertreter Adolf Eichmanns wurde mit dem Auftrag nach Thessaloniki geschickt, die »Endlösung« für die fünfzigtausend Juden der Stadt in Angriff zu nehmen. Innerhalb eines Monats trafen hundert deutsche Polizisten ein, um die MaÃnahmen durchzuführen.
»Was soll denn dieser Stern bedeuten?«, fragte Isaac. Er kam wieder jeden Tag ins Atelier, obwohl er immer noch schwach war und seine einst so geschickten Finger durch die monatelange schwere Arbeit Schaden genommen hatten.
»Er muss gelb sein, das ist alles, was ich weië, antwortete Roza Moreno. »Und einige unserer Kunden haben uns gebeten, sie anzunähen.«
»Und er muss zehn Zentimeter Durchmesser und sechs Zacken haben«, sagte Katerina, die bereits einige Sterne auf Mäntel und Jacken genäht hatte. Isaac stand neben ihr und sah ihr zu.
Mit ihren schönen, gleichmäÃigen Stichen schaffte es Katerina, die Sterne wie feinste Applikationen aussehen zu lassen. Auf der StraÃe hatte sie ein paar Leute mit nachlässig angehefteten Sternen gesehen. Wenn ihre jüdischen Freunde diese Dinger schon tragen mussten, dann sollten sie wenigstens ordentlich aussehen.
»Ich weià nicht, warum ich den tragen sollte«, sagte Isaac. »Ich habe meine Pflicht gegenüber den Deutschen abgeleistet. Und soweit es mich betrifft, ist es damit vorbei.«
»Isaac«, sagte sein Vater, »wir haben keine Wahl.«
»Wer genau hat uns denn befohlen, das zu tragen? Und wie können sie uns dazu zwingen?«
»Rabbi Koretz hat uns aufgefordert, sie zu tragen«, antwortete seine Mutter ruhig.
»Der Rabbi!«
»Er hat sich das nicht ausgedacht, Isaac«, beschwichtigte ihn sein Vater. »Er übermittelt bloà den Befehl.«
»Und was soll er uns noch alles übermitteln?«
Isaacs Hass auf die Deutschen ging viel tiefer als der seiner Eltern. Er hatte ihre Grausamkeit viele Monate lang ertragen müssen und wusste, wie unmenschlich sie waren. Die Einzelheiten seiner Qualen hatte er seinen Eltern verheimlicht.
Er sah, dass seine Mutter und sein Vater Blicke tauschten.
»Wie es aussieht«, sagte sein Vater zögernd, »müssen wir aus unserem Haus ausziehen.«
»Aus der IrinistraÃe?«, fragte Katerina entsetzt.
»Ja, wahrscheinlich«, antwortete Roza Moreno unter Tränen. »Näheres wissen wir noch nicht.«
Isaac, der seinen Ãrger nicht länger unterdrücken konnte, verlieà den Raum, und Katerina und Roza nähten weiterhin schweigend Sterne an.
Ein paar Tage später wurde die Nachricht bestätigt. Die Moreno-Familie und alle Angestellten auÃer Katerina sollten in die Nähe des Bahnhofs umziehen.
»Nun, die werden schon ihre Gründe dafür haben«, sagte Saul Moreno. »Und ich schätze, die werden sie uns zu gegebener Zeit erklären.«
Saul Morenos blindes Vertrauen in seine religiösen Führer, den Oberrabbiner in erster Linie, war unerschütterlich. Er glaubte an die Vernunft und war sicher, dass es für diese Umsiedlung gute Gründe gab.
Die Juden waren angewiesen worden, eine Liste aller ihrer Besitztümer aufzustellen, und die meisten kamen der Aufforderung pflichtschuldig nach.
»Es ist wohl wegen einer Steuer, die man uns auferlegen will«, murmelte Saul Moreno. In ihm wuchs zwar langsam ein schlimmer Verdacht, aber den sprach er vor seiner Frau nicht aus.
Kein einziger Angestellter erschien am nächsten Tag im Atelier. Alle blieben zu Hause, um ihre Habseligkeiten zusammenzutragen, ihre Wertsachen zu inspizieren und sich zu
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