Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eine Geschichte von Liebe und Feuer

Eine Geschichte von Liebe und Feuer

Titel: Eine Geschichte von Liebe und Feuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Victoria Hislop
Vom Netzwerk:
niemanden in ihre Nähe. Hinter der Umzäunung stehend, hörten sie Rufe, das Knirschen von Zugkupplungen und das Zischen des Dampfs aus den Lokomotiven.
    Sie warteten noch eine Weile, aber schließlich wandten sie sich traurig ab. Eugenia bekreuzigte sich mehrmals, und auf dem Heimweg machten sie in der kleinen Kirche von Agios Nikolaos Ofanos halt.
    Â»Kalo taksidi …« , flüsterte Katerina in die Flammen der vier Kerzen, die sie vor der Ikone anzündete. »Gute Reise.«
    Während sie auf ihr Haus zugingen, erinnerte sich Eugenia an ihre Ankunft in der Irinistraße, als sie nichts besaßen außer den Kleidern auf dem Leib.
    Â»Diese Familie war so großzügig zu uns«, sagte sie ruhig. »Ich hoffe, dass man ihnen in ihrer neuen Heimat wenigstens einen Bruchteil dieser Freundlichkeit entgegenbringt.«

2 1
    D ie Morenos befanden sich auf einem der ersten Transporte, und den ganzen Sommer hindurch rollten Züge nach Norden in Richtung Polen.
    Im Juni erhielten Eugenia und Katerina eine Postkarte von ihren Freunden. Darauf war ein Bild von Krakau, und sie schrieben nur, dass sie angekommen seien und ihre Stadt vermissten. Als im August schließlich der letzte Zug abfuhr, wurde es still in den Gettos, und Thessaloniki hatte ein Fünftel seiner Einwohner verloren.
    Die Irinistraße wirkte jetzt wie ausgestorben, und eine ganze Weile lang standen die Häuser der Morenos und anderer jüdischer Nachbarn leer. Eines Tages jedoch war es mit der Ruhe und dem scheinbaren Frieden vorbei. Katerina und Eugenia wachten frühmorgens um vier von lauten Schlägen und Geschrei auf. Der Lärm kam nicht nur von der Straße, sondern auch aus dem Nachbarhaus. Sie blickten aus dem Fenster und sahen eine Menge Leute, die ungeniert Sachen aus dem Haus der Morenos schleppten. Neben verschiedenen vertrauten Gegenständen auch die Truhe, in der Roza Moreno ihre Wäsche aufbewahrt hatte. Sie landete zuoberst auf einem Karren.
    Sie hatten von ähnlichen Plünderungen in mehrheitlich von Juden bewohnten Gegenden gelesen, aber nicht erwartet, dass in ihrer Straße so etwas passieren würde.
    Â»Wir müssen sie aufhalten!«, sagte Katerina.
    Â»Ich weiß nicht, ob das eine so gute Idee ist …«, antwortete Eugenia, die beobachtete, wie brutal zwei Männer mit einem Fleischermesser auf eine Matratze einhieben. Mit geradezu sadistischer Freude schlitzten sie den Bezug auf, und die weißen Flocken der Füllung wirbelten wie Schnee durch die Luft. Es hatte Gerüchte gegeben, die Juden hätten ihr Gold in den Betten versteckt, und die Leute waren wild entschlossen, es zu finden.
    Die beiden Frauen mussten hilflos zusehen, wie das Haus ihrer Nachbarn völlig ausgeraubt wurde. Katerina wusste, dass Eugenia recht hatte: Sie konnten nichts dagegen tun. Ihr einziger Trost war, dass sich einige Dinge, die die Morenos wirklich hoch geschätzt hatten, unter ihrem Dach in Sicherheit befanden.
    Ein paar Wochen später kam ein Angestellter von Konstantinos Komninos in die Irinistraße und fragte, ob Katerina für ein paar seiner wohlhabenden Kunden Näharbeiten übernehmen wolle. Sie verlangten die beste modistra der Stadt, und selbst wenn die jüdischen Schneiderinnen noch hier gewesen wären, hätten sie Katerina dieses Prädikat nicht streitig machen können.
    Am Tag darauf tauchte ein Bote vor ihrer Tür auf, der sich mit einem riesigen Karton abmühte.
    Â»Katerina Sarafoglou?«
    Â»Ja, die bin ich«, antwortete sie.
    Â»Ich habe etwas für Sie.«
    Katerina bat den Mann herein, und er schleppte den Karton zum Tisch.
    Â»Möchten Sie ihn nicht aufmachen?«, fragte er. »Er ist von Konstantinos Komninos.«
    Â»Ach, wirklich?«, erwiderte sie überrascht.
    Sie hatte immer gemischte Gefühle gehabt, was Dimitris Vater anbelangte. Sie wusste, dass sich Dimitri nicht mit ihm verstand, und hatte sich oft gefragt, ob auch Olgas Ängste von seiner herrischen Art herrührten. Jedes Mal, wenn sie ihn getroffen hatte, war er kalt und unfreundlich gewesen, deshalb wunderte sie sich, dass er ihr ein Geschenk schickte. Sie nahm den Deckel ab. Schwarzes Metall schimmerte im Dunkeln, und als sie das Seidenpapier abnahm, sah sie ein vertrautes Blumen- und Rankenmuster. Es war eine Singer-Nähmaschine.
    Â»Ich soll Ihnen außerdem das hier geben«, sagte der Bote.
    Sie faltete den Brief auseinander und las. Wenn Sie

Weitere Kostenlose Bücher