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Eine Geschichte von Liebe und Feuer

Eine Geschichte von Liebe und Feuer

Titel: Eine Geschichte von Liebe und Feuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Victoria Hislop
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erstes Essen seit mehr als vierundzwanzig Stunden. Die Zwillinge hatten sich schnell daran gewöhnt, dass Katerina nun zu ihrer Familie gehörte. Bei all den dramatischen Umbrüchen in den vergangenen Monaten war eine weitere Person in ihrem Kreis nur eine geringfügige Veränderung.
    Sobald sie mit dem Essen fertig waren, brachte Eugenia Katerina zur Erste-Hilfe-Station. Die Krankenschwester nahm vorsichtig den »Verband« von ihrem Arm ab, und darunter kam von der Schulter bis zum Ellbogen das rohe Fleisch zum Vorschein.
    Â»Das müssen wir sofort reinigen und neu verbinden«, sagte sie, ohne ihre Überraschung über die Größe der Wunde zu verbergen. »Tut es weh?«
    Â»Ja, aber ich versuche, nicht daran zu denken«, antwortete das kleine Mädchen.
    Katerina zuckte zusammen, als die Schwester Salbe auftrug, aber kurz darauf war das brennende Fleisch unter einem strahlend weißen Verband verborgen, und Katerina blickte stolz auf den makellos bandagierten Arm.
    Â»Bringen Sie sie in vier Tagen wieder her«, sagte die Schwes ter zu Eugenia. »Ich möchte sichergehen, dass die Wunde sauber bleibt. Hier gibt es so viele Bakterien, die einen umbringen können, bevor man mit den Wimpern zuckt.«
    Eugenia nahm Katerinas Hand und führte sie schnell aus dem Zelt hinaus. Sie war wütend auf die Schwester, weil sie vor einem Kind solche Sachen sagte.
    Die beiden wanderten durch die engen Gassen des Flüchtlingslagers bis zu ihrer Reihe, wo die Zwillinge auf ihre Rückkehr warteten. Plötzlich fiel Katerina etwas ein. Der Ärmel.
    Â»Kyria Eugenia! Wir müssen zurück! Bitte! Ich hab was vergessen.«
    Die Angst in der Stimme des Kindes ließ ihr keine Wahl. Das Mädchen nahm Eugenias Hand, zerrte sie zum Erste-Hilfe-Zelt zurück und wandte sich sofort an die Schwester, die eine verletzte Frau versorgte.
    Â»Haben Sie noch meinen alten Verband?«
    Die Schwester hielt bei ihrer Arbeit inne und sah das Kind mit vernichtendem Blick an.
    Katerina blickte sich um. Der Boden war gekehrt worden, aber am Eingang des Zelts entdeckte sie einen Abfallhaufen.
    Â»Da ist er!«, rief sie triumphierend und lief hinüber, um ihn aufzuheben.
    Â»Aber Katerina, er ist doch schmutzig. Wäre es nicht besser, ihn dazulassen?«, gab Eugenia zu bedenken, weil sie nicht vergessen hatte, was die Schwester über die Bakterien im Lager gesagt hatte.
    Â»Aber ich hab’s versprochen …« Sie drückte den Ärmel an sich.
    Eugenia wusste, wie eigensinnig kleine Mädchen sein konnten, und sah die Entschlossenheit in Katerinas Gesicht.
    Â»Na schön, aber wir waschen ihn gründlich aus, sobald wir können.«
    Â»Ich hab versprochen, ihn dem Soldaten zurückzugeben«, erklärte Katerina. »Es ist noch einer seiner Knöpfe daran.«
    Eugenia warf einen Blick darauf und entdeckte tatsächlich einen dunkel angelaufenen Knopf, der bloß noch an einem Faden hing.
    Katerina steckte den Ärmel in ihre Tasche, und sie kehrten zu den Zwillingen zurück.
    Die Aufgabe, ihre Mutter zu finden, beschäftigte sie immer noch, und gemeinsam mit Eugenia verbrachte sie viele Stunden damit, die provisorischen Unterkünfte abzusuchen. Aber Katerina entdeckte kein einziges vertrautes Gesicht, und die Verwalter des Lagers bestätigten Eugenia, dass niemand mit dem Namen Zenia Sarafoglou bei ihnen registriert war.
    Ohne zu murren fand sich Eugenia mit der Tatsache ab, dass sie Katerina bei sich behalten müsste. Überall in ihrer Umgebung gab es ähnliche Situationen, und die durch Verlust dezimierten Familien formten sich neu, indem sie verwaiste Kinder aufnahmen. Maria und Sofia, die wie viele neunjährige Mädchen starke mütterliche Gefühle hatten, betrachteten den Neuankömmling schnell als kleine Schwester. Bislang mussten sie sich eine einzige Puppe teilen, aber nun hatten sie ein lebensgroßes, lebendiges Spielzeug. Katerina genoss ihre Aufmerksamkeit und erlaubte ihnen sogar, ihren Arm neu zu verbinden, wenn es nötig war. Die Wunde begann zwar zu heilen, aber es würden schlimme Narben zurückbleiben.
    Der milde Oktober ermunterte sie, den ganzen Tag im Freien zu spielen, und da es überall viele Kinder gab, schlossen die drei Mädchen rasch neue Freundschaften. Doch als die Wochen zu Monaten wurden und die Temperaturen fielen, zogen sie sich zunehmend in die Zelte zurück. Unter den Habseligkeiten, die

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