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Eine Geschichte von Liebe und Feuer

Eine Geschichte von Liebe und Feuer

Titel: Eine Geschichte von Liebe und Feuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Victoria Hislop
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war.
    Noch vor gar nicht langer Zeit hatte ihre Mutter sie abgesetzt und gesagt: »Du musst tapfer sein, meine Kleine.«
    Sie erinnerte sich, dass ihre Mutter damals selbst geweint hatte, und meinte daher, sie müsste um ihretwillen die Tränen unterdrücken.
    Â»Dein Vater wird nicht mehr aus dem Krieg heimkommen. Er war sehr mutig und starb, als er jemand anders rettete.«
    Katerina war stolz gewesen auf ihren Vater, und obwohl sie noch so klein war, verbarg sie ihre Trauer, um nicht auch noch andere traurig zu machen.
    Als sie das Lager erreichten, in dem bereits Zehntausende untergebracht waren, fasste sie wieder Zuversicht und begann, Kyria Eugenia Fragen zu stellen.
    Â»Wo haben sie uns hingebracht? Wo sind wir hier? Werden wir meine Mutter finden?«
    Â»Hör zu, Katerina«, antwortete Eugenia liebevoll, »wir sind jetzt in der Stadt Mytilini, auf einer Insel namens Lesbos. Aber ich bin sicher, sie werden versuchen …«
    Â»Aber meine Mutter wollte nach Athen!«, erwiderte das kleine Mädchen aufgeregt. »Ist das weit weg?«
    Â»Es ist nicht allzu weit weg von hier«, antwortete Eugenia und drückte beruhigend ihre Hand.
    Es hatte keinen Sinn, dem Kind die Wahrheit zu sagen. Die Leute, die die Evakuierung aus Smyrna organisiert hat ten, waren nur daran interessiert, die Masse der Menschen in Sicherheit zu bringen. Sie vor den Flammen und den rachsüchtigen Türken zu retten hatte oberste Priorität, aber sie führten keine Listen über die Flüchtlinge. Etwa eine Million Menschen befanden sich auf der Flucht, und die Chance, Katerinas Mutter zu finden, waren gleich null.
    Â»Ich bin sicher, wir finden sie später, meine Süße.«
    Â»Ich hab Hunger«, jammerte Sofia, als sie an einer Schlange vorbeikamen, wo Leute um Suppe anstanden. »Können wir nicht was zu essen kriegen?«
    Â»Lasst uns zuerst einen Schlafplatz finden, dann besorgen wir uns etwas«, antwortete ihre Mutter. Aber allein die wimmelnden Menschenmassen machten deutlich, dass in dieser Nacht nur ein Bruchteil der Leute unter Zeltplanen ein Lager finden würde. Es gab schlichtweg nicht genügend Unterbringungsmöglichkeiten für alle.
    Mehrere Stunden warteten sie geduldig, bis ihnen ein Zelt zugewiesen wurde, und währenddessen blickte sich Katerina ständig um, in der Hoffnung, irgendwo ihre Mutter zu entdecken. Niemand sagte ihr, dass Mytilini mehr als zweihundertfünfzig Kilometer von Athen entfernt lag.
    Sobald sie in ihrem Zelt waren, fuhr Sofia mit ihrem Gejammer fort. Obwohl sie identisch aussahen, fiel Katerina jetzt auf, dass die Zwillinge in anderer Hinsicht sehr verschieden waren.
    Noch auf dem Schiff hatte ihr Sofia stolz erzählt, dass sie »als Erste herausgekommen« sei. Es habe sich nur um wenige Minuten gehandelt, wandte Maria ein, doch aufgrund ihres früheren Eintritts in die Welt war Sofia überzeugt, dass ihr die Führungsrolle zustand. Ihre Zwillingsschwester Maria war ihr Spiegelbild. Wie ein Echo wiederholte sie Sofias Meinungen, statt sich selbst eine zu bilden, und sie war eindeutig die sanftere von beiden.
    Erschöpft ließen sich die drei Kinder schließlich auf einem Strohsack nieder und sanken in tiefen Schlaf. Ihr Hunger war vergessen.
    Eugenia stand draußen und blickte die Zeltreihe entlang. Die meisten Flüchtlinge hatten nicht nur all ihren Besitz, sondern auch Familienmitglieder verloren. Wie in Trance und mit ausdruckslosen Mienen liefen viele von ihnen ziellos herum. Als eine Frau aus dem Nachbarzelt trat, grüßte Eugenia sie. Nachdem sie nun, durch nichts als eine dünne Leinwand getrennt, auf engem Raum zusammenlebten, war diese Frau ihre nächste Nachbarin, aber sie reagierte überhaupt nicht auf Eugenias Gruß.
    Und im selben Moment verstand Eugenia, warum. Eingehüllt in die Falten ihres ausladenden Kleids, das für die Pontos-Griechen typisch war, hielt sie ein Kind. Eugenia bemerkte, dass sie weinte, das Kind jedoch gab keinen Laut von sich.
    Die Frau zog das Kopftuch übers Gesicht und hastete davon, ohne Eugenia eines Blickes zu würdigen. Es war die Ruhr. Als sie um die Unterkunft anstanden, hatte es Gerüchte gegeben, dass die Seuche jeden Tag Hunderte von Menschen dahinraffte, und Eugenia spürte, wie sich ihr Magen angstvoll verkrampfte. Hoffentlich kämen sie bald von hier fort.
    Die Mädchen wachten zu einem Festmahl aus Brot, Tomaten und Milch auf. Ihr

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