Eine Geschichte von Liebe und Feuer
wäre, es zu tragen.
Saul Moreno sah, wie sie es bewunderten.
»Ist es nicht ganz auÃergewöhnlich? Es hat allein drei Wochen gedauert, die Perlen aufzunähen«, erklärte er stolz. »Und jede einzelne sitzt perfekt am richtigen Ort.«
Das Licht spiegelte sich auf ihrer Oberfläche und lieà sie geradezu märchenhaft erstrahlen. Die Braut kommt heute Nachmittag, um es abzuholen«, sagte Roza Moreno. »Aber es hängt oft ein Brautkleid an dieser Puppe, manchmal sogar noch prächtigere als dieses hier. Ihr würdet euch wundern, was sich die Reichen in dieser Stadt für ihre Töchter leisten!«
»Und wir versuchen, ihre Fantasien umzusetzen!«, fügte ihr Ehemann hinzu. »Deshalb brauchen wir die Art von Fähigkeiten, die du besitzt.«
»Aber ich könnte nie ein solches Kleid nähen!«, erwiderte Katerina.
»Vielleicht jetzt noch nicht. Aber ich garantiere dir, in ein paar Monaten bist du problemlos in der Lage, diese Perlen aufzunähen! Komm mit, ich möchte dir auch den Rest zeigen.«
Im nächsten Raum standen riesige Zuschneidetische, an denen Frauen und Männer geschickt mit Scheren hantierten. Katerina entdeckte den jungen Elias mit einem MaÃband um den Hals, dem gerade gezeigt wurde, wie man den Stoff auslegte, bevor es ans Zuschneiden ging. Er war ein neuer Lehrling, genau wie sie.
Im Raum dahinter saÃen an langen Bankreihen Leute vor glänzenden Singer-Nähmaschinen. Das laute Rattern der Maschinen machte jede weitere Unterhaltung unmöglich. Alle wirkten in ihre Arbeit vertieft, und einige hoben kurz die Hand, um Saul und Roza Moreno zu grüÃen. Es gab groÃe Altersunterschiede unter den Angestellten, von Mädchen, die jünger aussahen als Katerina, bis hin zu Frauen in den Achtzigern. Das Gleiche traf auf die Männer zu.
Der vorletzte Raum wurde »das Lager« genannt, und dort wurden Knöpfe, Garne und Borten in glänzenden, mit Glast üren versehenen Schränken und Holzkisten aufbewahrt, alle deutlich beschriftet, damit sich der gesuchte Gegenstand leicht finden lieÃ. Katerina fühlte sich an Kyrios Alatzasâ wundervoll geordneten Laden mit den Bändern erinnert, den sie so liebte.
Im letzten Raum herrschte eine etwas weniger strenge Ordnung. Ein paar Dutzend Frauen hatten Kleidungsstücke auf dem Schoà und machten die gleiche Arbeit wie Roza Moreno zu Hause: Knopflöcher nähen, Perlen befestigen, säumen, börteln und sticken. Neben jeder Frau standen ein kleiner Tisch und eine Holzkiste, und der Raum war von leb haftem Geschnatter erfüllt, das auch nicht abbrach, als Saul Moreno eintrat.
»Guten Morgen, meine Damen«, sagte er über den Lärm hinweg. »Darf ich Ihnen meine Nachbarin Kyria Karyanidi vorstellen und Katerina Sarafoglou, einen aufsteigenden Stern am Himmel der Nähkunst in der Stadt.«
Saul Morenos Manieren waren tadellos, und bei seiner Vorstellung fühlte sich Katerina so geschmeichelt, dass sie vor Stolz fast platzte.
»Guten Morgen«, erwiderten alle im Chor, ohne ihre Arbeit zu unterbrechen.
Katerina warf einen Blick auf die Arbeiten der Frauen. Wenn sie sich noch etwas Routine beim Nähen von Knopf löchern aneignete, wäre sie durchaus in der Lage mitzu halten.
Als sie wieder im Vorführraum waren, drehte sich Saul Moreno zu Katerina um.
»Nun, was meinst du, junge Dame? Hättest du Lust, bei Moreno & Söhne zu arbeiten?«
Ohne zu zögern, nickte Katerina.
Saul Moreno nahm ihre Hand und schüttelte sie herzlich.
»Das freut mich sehr«, sagte er. »Wann kannst du anfangen?«
»Nächste Woche?«
»In der Endfertigung wartet ein Platz auf dich«, erwiderte er lächelnd.
Als er sie hinausführte, entdeckten sie ein bekanntes Gesicht. Konstantinos Komninos. Sein Gruà war förmlich.
»Guten Morgen«, sagte Eugenia ruhig. »Wie geht es Kyria Komninou?«
»Danke, gut. Ich bin hergekommen, um ein paar Stoffe für sie auszusuchen.«
Eugenia wollte fast schon fragen, warum sie das denn nicht selbst machte, hielt sich aber zurück. Es war inzwischen fünf Jahre her, seit Olga von der IrinistraÃe weggezogen war, aber sie erinnerte sich, dass sie sich schon damals kaum aus dem Haus gewagt hatte.
»Das ist Katerina, erinnern Sie sich an sie?«
»Nicht wirklich«, antwortete er schroff. »Aber Kinder verändern sich ja auch
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