Eine Geschichte von Liebe und Feuer
schnell.«
»Und wie geht es Dimitri?«
Katerina hatte Dimitri seit vielen Monaten nicht mehr gesehen, und sie vermisste ihn sehr. Sie und die anderen Kinder hatten ihn immer wegen seiner Ernsthaftigkeit geneckt, aber er fehlte ihnen, und sein Weggang hatte eine groÃe Lücke hinterlassen.
»Er macht sich gut in der Schule und lernt fleiÃig«, erwiderte Konstantinos würdevoll. »Bei ihm stehen wichtige Prüfungen an, und dann beginnt er mit dem Jurastudium.«
»Bitte richten Sie Ihrer Familie unsere GrüÃe aus«, sagte Eugenia.
Komninos setzte seinen Hut auf und nickte.
Eugenia war überzeugt, dass er die GrüÃe nicht ausrichten würde, und beschloss, Olga demnächst selbst einen Besuch abzustatten. Sie würde sich in der Villa an der NikistraÃe wahrscheinlich nicht wohlfühlen, aber sie quälten Gewissensbisse, weil sie so lange nichts von sich hatte hören lassen.
Katerina fragte sich, ob es wohl Dimitris Wunsch war, Jura zu studieren, oder der seines Vaters. Soweit sie sich erinnern konnte, wollte er immer Arzt werden. Aber gleichgültig, welches Studienfach er wählte, es fiel ihr nicht schwer, sich den klugen Freund in Bücher vertieft vorzustellen.
Sie verabschiedeten sich noch einmal von Saul Moreno und gingen dann bei strahlendem Sonnenschein nach Hause. In der Stadt wimmelte es von Menschen, und sie kamen an mehreren Cafés vorbei, wo elegante Damen ihren Kaffee und süÃes Backwerk genossen.
»Siehst du die Damen gleich rechts?«, fragte Roza flüsternd. »Sie tragen alle Moreno-Modelle.«
»Woher wissen Sie das?«, fragte Katerina.
»Das sieht man am Schnitt. Du wirst den besonderen Stil auch bald erkennen â den Fall des Stoffs, die einzelnen Details. Ich erinnere mich, dass ich bei dem mintgrünen Jackett die Knöpfe angenäht habe.«
Eugenia lachte. »Du erinnerst dich an alles?«
»Nein, nicht an alles. Die Namen der meisten Leute in der Synagoge kann ich mir nicht merken. Sie bleiben mir einfach nicht im Kopf. Aber bei Näharbeiten â da kann ich mich praktisch an jeden einzelnen Stich erinnern, den ich gemacht habe.«
Katerina fragte sich, ob es bei ihr eines Tages wohl auch so wäre. Sie kam sich plötzlich sehr erwachsen vor, als sie neben Eugenia und Roza Moreno die StraÃe entlangging. Die Tage des Puppenspielens und der kindlichen Fantasiewelt waren für sie vorüber, und sie fühlte sich mehr als bereit, ins Arbeitsleben einzutreten.
Die Frauen begannen, sich zu unterhalten.
»Meinst du, wir sollten Olga einmal besuchen?«, fragte Eugenia, die seit der Begegnung mit deren Mann über Olga Komninou nachgedacht hatte.
»Ich hab ihr gelegentlich kleinere Arbeiten vorbeigebracht, aber gewöhnlich kommt Pavlina, um sie abzuholen. Offensichtlich ist sie seit ihrem Auszug aus der IrinistraÃe nicht mehr aus dem Haus gegangen«, sagte Roza.
»Das ist ja schrecklich! Wen sieht sie dann noch?«
»Ihr Mann lädt seine Kunden nach Hause ein, das ist auch der Grund, weshalb er so sehr darauf achtet, dass sie erstklassig gekleidet ist.«
»Also behandelt er sie immer noch als seine Modepuppe?«
»So könnte man es wohl sehen. In unserem Atelier wird ständig das eine oder andere für sie angefertigt, aber ich bezweifle, dass sie ihre Kleider mehr als ein- oder zweimal trägt.«
Katerina riss die Augen auf. Der Gedanke, etwas nur ein einziges Mal zu tragen, überstieg ihre Vorstellungskraft. Fast ihr ganzes Leben lang hatte sie ein Kleid an, während das andere zum Trocknen an der Leine hing, und seit Eugenia für sie sorgte, trug sie die abgelegten Kleider der Zwillinge. Das weiÃe, mit Gänseblümchen bestickte Kleidchen, in dem sie aus Smyrna geflohen war, war das letzte wirklich neue Kleidungsstück, das sie besessen hatte.
»Und was ist mit Dimitri? War er denn einmal da, als du hingekommen bist?«
»Nein. Er ist gewöhnlich in der Schule«, antwortete Roza. »Elias geht ihn manchmal besuchen. Du weiÃt doch, wie gern sie zusammen tavli gespielt haben?«
»Ja, sicher«, erwiderte Eugenia.
»Nun, daran hat sich nichts geändert. Zwischen den beiden herrscht noch immer der gleiche Kampfgeist, und die Spiele dauern oft ziemlich lange. Aber wenn Konstantinos Komninos heimkommt, muss Elias sofort verschwinden. Er ist furchtbar ehrgeizig, was seinen Sohn angeht. Wenn er nicht fünf
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