Eine Geschichte von Liebe und Feuer
Die meisten sehen wie Wasserleichen darin aus! Aber Gott sei Dank«, fügte sie seufzend hinzu, »hab ich mit reichen, schwierigen Frauen nicht viel zu tun, obwohl ich manchmal die Anproben machen muss. Deshalb weià ich, wie sie sein können.«
Dimitri lächelte wissend. Viele dieser reichen und schwierigen Damen waren regelmäÃig am Tisch seiner Eltern zu Gast. Er hörte Katerina gern zu und war entzückt über ihre satirischen Beschreibungen dieser Leute.
Katerina hatte keine Ahnung, was Dimitri alles unternahm, um sie zu treffen. Von einem Zufall bei diesen Begegnungen konnte keine Rede sein. Ein- oder zweimal hatte er allerdings schnell einen anderen Weg eingeschlagen, als er sie mit Elias auf dem Heimweg sah, weil er die beiden bei ihrer anscheinend vertraulichen Unterhaltung nicht stören wollte. Zumindest redete er sich das ein.
Katerina war genauso erpicht darauf, von Dimitris Welt zu hören. Sie lauschte gespannt, wenn er von irgendwelchen Rembetiko-Musikern erzählte, die er gehört hatte, und manch mal kannte sogar sie deren Namen. Seit Vassilis Tod und seit die Militärdiktatur Zensurgesetze erlassen hatte, besuchte Dimitri solche Auftritte nur noch selten. Rembetiko galt als subversiv, und die Polizei führte regelmäÃig Razzien durch in den Lokalen, wo man ihn spielte.
Er erzählte ein bisschen von seinem Studium und den Professoren. Dabei versuchte er, ein paar amüsante Details einflieÃen zu lassen, was aber schwierig war, weil es von seinem Medizinstudium nur wenig Humorvolles zu berichten gab.
Natürlich erkundigte sich Katerina immer nach Olga.
»Ich wünschte, sie ginge wenigstens ab und an aus dem Haus«, sagte er. »Ich verstehe auch nicht, warum sie sich so verhält, aber vielleicht verhilft mir mein Studium dazu, es irgendwann zu begreifen.«
»Es könnte sein, dass ich bald wieder einmal zu euch nach Hause komme«, sagte Katerina bei ihrem nächsten Treffen.
Dimitris Augen leuchteten auf. »Warum?«
Saul Moreno hatte ihr kürzlich gesagt, dass sie demnächst eine Anprobe bei Olga Komninou machen sollte. Seine älteste Näherin, Martha Perez, würde nach sechzig Jahren bei der Moreno-Familie aufhören, und Saul Moreno sah Katerina als deren Nachfolgerin. Martha war seine beste modistra gewesen, und Konstantinos Komninos hatte seit jeher darauf bestanden, dass Olgas Kleider ausschlieÃlich von ihr genäht wurden. Doch im Alter von fünfundsiebzig Jahren ging die Schneiderin nun in den wohlverdienten Ruhestand.
Dimitri hatte Martha Perez manchmal ein und aus gehen sehen, und der Gedanke, dass Katerina zukünftig an ihrer Stelle kommen würde, gefiel ihm sehr.
»Ich bin sicher, meine Mutter freut sich, dich zu sehen«, sagte er lächelnd.
Katerinas Welt war ein Reich voller Seide und Satin, voller Knöpfe, Schleifen, Stickerei und Zierrat, eine Werkstatt der schönen Dinge. Ihre Welt war voller bunter Farben, Dimitris Welt hingegen eintönig und grau. Die Universität war von jeher ein nüchterner Ort gewesen, aber unter der Diktatur noch düsterer geworden. Die Atmosphäre war von Angst und Trotz, aber auch von Bitterkeit geprägt, weil hier Studenten verschiedener politischer Strömungen aufeinandertrafen, was häufig zu Spannungen und Rivalitäten führte. Linkes Ge dankengut und kommunistische Ãberzeugungen wurden in den Untergrund gedrängt, was sie jedoch nur zu stärken schien.
Eine Weile machte es den Eindruck, als würde sich das Leben der Morenos zumindest in einer Hinsicht verbessern. Die Diktatur unterdrückte radikale Bewegungen, die Anfang des Jahrzehnts für die antisemitischen Attacken verantwortlich gewesen waren, daher fühlten sich die Juden in der Stadt wieder sicherer.
»Es ist nun schon sechs Monate her«, sagte Saul Moreno zu seinen Söhnen, »dass unsere Wände das letzte Mal beschmiert wurden.«
Sie befanden sich auf dem Weg zum Atelier, und Katerina war wie üblich bei ihnen.
»Das ist auch gut so«, sagte Elias. »Sonst hätten wir früher oder später unserer Mutter erklären müssen, warum wir ständig neue Farbe kaufen.«
Isaac, der wie immer weniger optimistisch war als sein jüngerer Bruder und vor fünf Jahren mit eigenen Augen die Zerstörung des Campbell-Viertels gesehen hatte, fühlte sich gezwungen dagegenzuhalten.
»Man kann vielleicht ein paar Leute
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