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Eine glückliche Ehe

Eine glückliche Ehe

Titel: Eine glückliche Ehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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ab.
    »Wie heißt du?« fragte der Obergefreite.
    »Hellmuth Wegener«, sagte Hasslick.
    Und von jetzt ab wollen auch wir ihn so nennen. Hellmuth Wegener, Medizinstudent aus Hannover, verheiratet mit Irmgard, geborene Lohmann, Apothekerstochter aus Köln-Lindenthal.
    Sie kamen nach Nowo Nigaisk, einem auf keiner Karte verzeichneten Nest zwischen der steinigen Tunguska und dem riesigen Strom Lena. Ein Waldlager in der Taiga, dreißig lange Baracken, umgeben von einer hölzernen Palisadenwand und neuen Wachttürmen, im Inneren noch einmal gesichert mit einem Stacheldrahtverhau, der bis zu den Palisaden einen mit Sand belegten, sieben Meter breiten ›Todesstreifen‹ absperrte.
    Im Lager lachte man darüber. Wer wollte hier fliehen? Wohin fliehen? In die Taiga? Wie weit war Deutschland entfernt? 5.000 oder 6.000 Kilometer? Hier hatte man ein Dach, eine Holzpritsche, seine Wassersuppe mit Graupen oder Kapusta, sein glitschiges Brot, die Kameraden, die Sanitätsstube, das Lagerlazarett, die mörderische Arbeit als Holzfäller mit idiotisch hohen Normen. Aber man war nie allein.
    Flüchten? In die Unendlichkeit hinein? In die Einsamkeit, die einen auffraß?
    Wer in Nowo Nigaisk gelandet war, hatte nur noch die Wahl, zu sterben oder zu warten.
    Hellmuth Wegener arbeitete im Krankenrevier und hatte mit sieben Sanitätern ein Zimmer neben dem Krankensaal. Von den siebenhundert, die in Orscha abgefahren waren, waren nach vier Monaten fünfhundertdrei in Nowo Nigaisk angekommen.
    Der Stabsarzt war nicht mehr darunter. Er war an einer dämlichen Blutvergiftung gestorben, an einer Sepsis, die er sich bei der Behandlung einer eiternden Wunde zugezogen hatte.
    Wie alle auf dem Transport Gestorbenen warf man auch ihn einfach bei einem Zwischenhalt auf freier Strecke aus dem Waggon in die Taiga.
    Nach sieben Monaten wurden an die Gefangenen gelbweiße, linierte Karten verteilt. Von der Lagerschreibstube wurden sie ausgegeben, für jeden Plenny eine Karte.
    »Was soll das?« fragte Wegener den deutschen Schreiber. Sie standen, die Barackenältesten, vor dem wachhabenden Offizier, einem Leutnant Pjotr Nikodemowitsch Lutkin, und nahmen die Stapel in Empfang.
    »Nach Germanija schreibän!« sagte Lutkin und grinste. »Schreibän, wie gutt in Lagär. Sind wir nicht gutä Mänschän?«
    »Der hat einen Knall!« sagte einer der Plennys. »Als ob die Karten jemals ankommen!«
    »Ich glaube doch.« Der deutsche Schreiber teilte die Postkarten weiter aus. »Sie werden zensiert, also ist was Wahres dran. Der Krieg ist aus, und nun geht's an die Propaganda. Sagt den anderen, sie sollen bloß nichts Dämliches schreiben! Immer nur: Mir geht's gut und so.«
    »Ich werde dick und fett«, sagte einer der Plennys, ein langer, hagerer Kerl mit grauem Vollbart. »Er steht mir Tag und Nacht, und dreimal wöchentlich kann ich eine Küchenhilfe vögeln! So etwa?«
    »Macht keinen Piß, Leute!« sagte der deutsche Schreiber. »Es ist das erste Lebenszeichen von uns. Die in der Heimat werden die Karte anbeten! Ist doch wurscht, was drauf steht. Wir leben!«
    An diesem Abend schrieb Wegener seine Karte an seine Frau Irmi nach Köln.
    Und schon begann die erste Schwierigkeit: Wie hatte Hellmuth geschrieben? Wie war seine Handschrift? Bei den hinterlassenen Papieren fand er nichts, es waren nur amtliche Dokumente. Nur die Unterschrift hatte er, und die hatte er geübt, bis man sie nicht mehr von der echten unterscheiden konnte.
    So schrieb er seine erste Karte in Druckbuchstaben. Sie werden denken, wegen der russischen Kontrolle, hoffte er. Und er schrieb:
    »Meine liebste Irmi, mein Schatz!
    In bin in Rußland, irgendwo, und es geht mir gut.
    Wir alle sind voll Hoffnung, daß wir bald zurück in die Heimat dürfen. Kein Tag vergeht, an dem ich nicht an Dich denke. Ich liebe Dich. Wenn es geht, schicke ein Paket. Pullover, einen Schal, warme Schuhe, warme Unterwäsche. Hier ist es kalt. Irmi, ich habe solche Sehnsucht nach Dir. Einen Kuß. Hellmuth.«
    Die Karte war voll. Mehr als innerhalb der vorgeschriebenen Linien durfte man nicht schreiben. An der Karte hing eine ebenfalls linierte Antwortkarte. Würde sie jemals zurückkommen?
    »Frau Irmgard Wegener« schrieb Wegener und sprach die Worte leise mit. Ich muß mich daran gewöhnen, dachte er. Ich habe eine Frau. Eine schöne, junge Frau. »Köln-Lindenthal. Stadtwaldgürtel 171a. Deutschland.«
    »Den Satz ›Hier ist es kalt!‹ müssen wir streichen«, sagte der Schreiber in der Lagerschreibstube, als

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