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Eine glückliche Ehe

Eine glückliche Ehe

Titel: Eine glückliche Ehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Wegener seine Karte abgab. »Das sieht der Iwan bereits als Ortsangabe an.« Er nahm einen Pinsel, tunkte ihn in eine Flasche mit schwarzer Tusche und machte die Stelle unleserlich. »Aber sonst ist die Karte gut. Und Pakete sollen tatsächlich bald durchkommen. Fragt sich nur, ob auch bis Nowo Nigaisk.«
    Und dann das Warten. Das schreckliche Warten. Das unendliche Warten. Die Zweifel. Hat Irmi den Krieg überlebt?! Mein Gott, ist das eine Qual! Warum haben sie bloß diese Karten verteilt?! Wenn sie nun nicht schreibt? Wenn die anderen Kameraden ihre Antwortkarten bekommen und du nicht?
    Er versah seinen Dienst im Krankenrevier, behandelte Furunkel und Asthma, Quetschungen und Fleischwunden, Tuberkulose und Dystrophie. Und wartete.
    »Ich liebe dich wirklich«, sagte er an manchen Abenden. Er saß vor Irmis Foto, dem ›Hochzeitsbild‹, das er bis nach Sibirien gerettet hatte, und sah sie lange an. Seine Stubengenossen hatten Dienst, er war allein und konnte mit ihr sprechen. »Ich bin Hellmuth Wegener, dein Mann. Du bist schön, Irmi, du bist wunderschön!«
    Nach vier Monaten – es war Frühling in der Taiga, der riesige Wald aus Zirbelkiefern, Fichten und Birken blühte und duftete – brachte eine Nachschubkolonne einen Postsack in das Lager Nowo Nigaisk. Als die Holzfällerkolonnen müde und am Ende ihrer Kräfte zurückmarschierten – mit der Schneeschmelze wurden auch wieder die Normen erhöht –, empfing sie schon am Lagereingang das Freudengeschrei des Innendienstes.
    »Post, Kameraden! Post aus der Heimat! Die Antwortkarten sind da! Und sogar Briefe! Briefe!«
    An diesem Abend war es still im Lager. Die Plennys hockten auf ihren Pritschen, löffelten aus der Blechschüssel ihre Wassersuppe und kauten die Scheibe des glitschigen Brotes. Dabei lasen sie ihre Karten, schweigend, mit nassen Augen, zum ungezählten Male. Wer keine Post bekommen hatte, dem las man vor aus der eigenen Karte, leise, wie ein Gebet: Mein lieber Ludwig, endlich, endlich weiß ich, daß du lebst …
    Irmgard Wegener schrieb:
    »Hellmuth, mein Liebling!
    Es wird im Leben nie wieder einen solchen Tag geben wie heute, als Deine Karte eintraf. Du lebst – alles andere ist nun unwichtig. Du lebst! – Wir haben den Krieg gut überstanden, das Haus steht noch. Paps hat die Apotheke wiedereröffnet, ich arbeite mit. Wir warten alle auf Dich. Das Paket schicke ich morgen gleich ab. O mein Liebling, ich liebe Dich, ich liebe Dich, ich liebe Dich. Paß gut auf Dich auf!
    Deine Irmi.«
    Mehr ließ die Karte nicht zu, aber es war genug, um die größte innere Kraft zu mobilisieren: den Willen, auch dieses Sibirien zu überleben.
    Ich liebe dich, dachte er. Wir warten alle auf dich. Glücklicher Hellmuth Wegener – und das bin jetzt ich!
    In den nächsten Wochen verrichtete er seine Krankenrevier-Arbeit nicht mehr so mechanisch wie bisher. Er meldete sich sogar zum Operationsdienst. Im eigentlichen Lazarett arbeiteten eine russische Ärztin, ein russischer Unterarzt und drei deutsche Stabsärzte.
    »Wenn Sie wollen, Kollege«, sagte der dienstälteste Arzt, ein Gynäkologe aus Hamm in Westfalen, »ist uns das eine große Hilfe. Es liegt an der sowjetischen Kollegin. Sie bestimmt hier. Es kommt darauf an, wer Sie im Krankenrevier ersetzen kann.«
    Es klappte. Anna Semjowna Tschutkasski, eine dicke, aber nicht unförmige Person, im Dienst sehr verschlossen, aber abends fast ein anderer Mensch mit einem lauten Lachen, teilte den ärztlichen Dienst neu ein. Es kam ja sowieso nur auf die chirurgischen Fälle an. Wer sich krank meldete, wurde innerhalb weniger Minuten selektiert und als Simulant in die Wälder geschickt. Nur wer wirklich auf allen vieren kroch, bekam ein Bett, und oft war es die letzte Station.
    Als Hellmuth Wegener seinen ersten Dienst am OP-Tisch antrat, zitterten seine Hände. Kalter Schweiß stand auf seiner Stirn, und als er den nackten Mann auf dem Tisch liegen sah, mit einer brandigen Wunde und dick geschwollenem, blaurot verfärbtem Bein, mußte er sich an die Wand lehnen.
    »Hier hilft nur eine Amputation!« sagte der Stabsarzt. »Ein säuischer Wundbrand. Hätten wir doch bloß etwas von diesem neuen amerikanischen Mittel. Wie heißt das bloß noch? Penicillin oder so ähnlich.« Er sah Wegener an. »Sie sehen wächsern aus, Hellmuth. Ihre erste Amputation?«
    »Ich habe bisher nur in der Anatomie …«
    »Man kann alles lernen. Auch als Plenny in Sibirien. Ein Bein abzunehmen ist gar keine Kunst. Passen Sie mal genau

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