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Eine glückliche Ehe

Eine glückliche Ehe

Titel: Eine glückliche Ehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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versteht man alles! Unter Arztkollegen ist selbst das Sterben ein biologischer Abschluß, weiter nichts. Kollege … Mein Gott, wann kann ich jemals die Wahrheit sagen?!
    Professor Goldstein, je länger ich lebe, um so weniger kann ich mit dieser Lüge leben! Sie würgt mich ab!
    Er starrte dem Arzt nach, ging dann zum Aufzug und ließ sich zur Privatstation bringen. Dort empfing ihn eine ältere Schwester, die sich Esmalda nannte, führte ihn in ein Einzelzimmer ohne Bett und sagte: »Ihre Frau kommt gleich hinaus. Es kann sich nur um Minuten handeln, Herr Wegener. Ein Junge? Gratuliere! Und ein Kaiserschnitt? Kaiserschnittkinder sehen immer besonders schön aus, nie so runzelig wie die anderen …«
    »Ich weiß«, sagte Wegener müde und lächelte dumm. »Ich bin … Ich habe ja Medizin studiert.«
    Wieder etwas gelernt, dachte er, wenn's stimmt. Das muß ich gleich nachprüfen. Kaiserschnittkinder sehen nicht runzelig aus. Das kann man in Gesprächen verwerten, das macht sich immer gut und hinterläßt Eindruck.
    Er stützte den Kopf in beide Hände und starrte auf den Linoleumfußboden. Wie erbärmlich bist du doch, dachte er. Wie winzig. Und mußt deine Rolle weiterspielen, weil's keinen Ausweg mehr gibt. Vor allem aber, weil du Irmi liebst. Und jetzt hast du auch noch einen Sohn. Wie vollkommen könnte die Welt sein …
    Es dauerte eine halbe Stunde, bis man Irmi ins Zimmer rollte. Sie war wach und lächelte Hellmuth an. Ihr Kindergesicht war fahl und noch schmaler als sonst.
    Da begann er zu weinen. Lautlos, die Tränen rannen ihm einfach weg aus den Augen, er wollte es nicht, er stemmte sich dagegen, aber wer kann Tränen aufhalten, wenn der ganze Mensch sich wie in Auflösung befindet?!
    Irmi schlief sofort wieder ein, nachdem er ihre Hand genommen hatte. Er saß neben ihrem Bett, sah sie unverwandt an, erlebte das Heraufdämmern eines trüben Tages, das Erwachen des großen Krankenhauses mit vielen hundert Geräuschen … Irmi aber schlief, nur ab und zu ging ein Zittern durch ihren Körper. Dann ergriff er sofort ihre Hand und hielt sie fest.
    Ich liebe dich, dachte er. Und immer und immer wieder: Ich liebe dich! Ich liebe dich! Ich liebe dich und das Wunder, ein Kind zu haben. Einen Jungen. Wir werden ihn Peter nennen. Peter, nach meinem besten Freund, dem Schlosser Peter Hasslick. Gestorben im Flur des Lazarettes von Orscha.
    Er war in diesem Augenblick kein anderer als Hellmuth Wegener.
    Der neue Tag. Am Himmel trieben Wolken. Grau alles, dumpf, gesättigt mit Oktoberfeuchtigkeit.
    Heute wird viel zu tun sein, dachte er und hielt Irmis Hand weiter fest.
    Bei der Polizei noch einmal eine schriftliche Aussage. Von der Staatsanwaltschaft die Freigabe der Leiche des ermordeten Lohmann beantragen, sowie die Obduktion beendet ist. Dann die Rennerei wegen der Bestattung.
    Blumen für Irmi und das Kind.
    Glück und Trost in allen Worten, die man sagt. Hier wird ein Grab geschaufelt, dort eine Wiege geschmückt. Und alles zur gleichen Zeit. Es ist, als ob man eine Welt neu erschaffen müßte …
    Als die Schwester mit dem Fieberthermometer kam, wachte Irmi auf.

5
    Es gibt Blicke, die vergißt man nie. Blicke, die sich in die Seele einbrennen und die mit ihrem Brandzeichen einen Menschen völlig verändern können. Es entsteht eine neue Welt, und Wunder öffnen sich, von denen man vorher nie etwas geahnt hat.
    Irmis erster Blick, ihr erster klarer, erkennender Blick, der Hellmuth Wegener traf, brannte alle Schlacken in ihm weg, alle Reste seiner Vergangenheit. Er hielt ihre schlaffe, weiße Hand fest, diese Kinderhand, die in den Stunden der Liebe so unendlich zärtlich streicheln konnte, mit dieser unwiderstehlichen Sanftheit, die einen Mann zur Ekstase treiben kann. Jetzt war diese Hand kraftlos und kühl, lag zwischen seinen Fingern wie ein schutzsuchendes Tier, und als er Irmi anlächelte, stumm, ergriffen, mit einem Würgen in der Kehle, krümmten sich ihre Finger ganz leicht und bohrten sich ihre Fingernägel kaum spürbar in seine Haut.
    »Du … du bist da …«, sagte sie leise. Ihr Lächeln war engelhaft. Er wagte kaum zu atmen vor soviel Zartheit, die ihm, ihm ganz allein gehörte.
    »Natürlich bin ich da«, sagte er rauh. Die Stimme entglitt seiner Kontrolle.
    »Die ganze Zeit …?«
    »Die ganze Zeit.«
    »Wie schön!«
    Er beugte sich über ihr Gesicht, küßte sie ganz vorsichtig auf Stirn und Augen und merkte, daß sie schwitzte. Erschrocken fuhr er zurück. Ein heißer Kopf, aber kalte Hände

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