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Eine glückliche Ehe

Eine glückliche Ehe

Titel: Eine glückliche Ehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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allgemeinen«, sagte die Schwester, »bitten wir die Ehemänner, solange aus dem Zimmer zu gehen. Aber Sie als Arzt …«
    »Das wäre auch dumm.« Wegener lächelte schwach. »Man sollte annehmen, daß jeder Ehemann seine Frau auch in einer solchen Lage kennt …«
    »Trotzdem gibt es bestimmte Grenzen, Herr Doktor.«
    Wegener schwieg. Halt, sagte er sich. Keine Gefahr heraufbeschwören! Keine Diskussion anfangen, die auf Glatteis führen kann! Es genügt, wenn ich das ›Herr Doktor‹ schlucke und mich benehme, wie sich ein Doktor in meiner Lage benehmen müßte. Schließlich sind alle Väter irgendwie gleich, ob sie Schlosser oder Mediziner sind.
    »Natürlich gibt es Grenzen«, sagte Wegener, weil die Schwester offensichtlich eine Antwort erwartete. Sie trocknete Irmi ab, schob eine neue Lage Zellstoff zwischen die Oberschenkel und deckte die Patientin wieder zu. »Es gibt ja auch genug unvernünftige Ehemänner.«
    »Und solche, die sich zuviel zutrauen! Was glauben Sie, Herr Doktor, wieviel ich schon habe umfallen sehen. – Solche Brocken!« Die Schwester machte eine umfassende Geste mit beiden Händen. Danach mußten wahre Riesen auf dem Kunststoffboden gelegen haben. »Am zähesten sind die Kleinen, Schmächtigen. Komisch, was?«
    »Beim Militär war das auch so. Es hat mit dem Stoffwechsel zu tun.«
    Das war klug geredet, dachte Wegener, aber sicherlich purer Blödsinn. Doch welche Schwester wagt es, einem Arzt zu widersprechen? Diese Schwester tat es auch nicht, öffnete das Fenster für ein paar Minuten, nachdem sie Irmi gut zugedeckt hatte, ordnete dann das Zimmer und schien zufrieden.
    Aha, die Visite kommt, dachte Wegener. Professor Goldstein. Alles aufgebaut wie zur Parade. Und das Kind wird gebracht werden. Endlich, endlich das Kind. Mein – unser Peter … Peter Johann Wegener! Das Kind mit dem falschen Namen vom falschen Vater. Es wird das nie erfahren. Alle Papiere stimmen ja, und wenn was fehlen sollte: Der Krieg hat so viele Unterlagen zerstört. Warum sollte er bei den Papieren des Hellmuth Wegener haltgemacht haben? Das letzte Jahr hatte ja gezeigt, wie einfach es war, ein neuer Mensch zu werden – nach außen hin: Ein paar eidesstattliche Erklärungen, das genügte. Noch waren die Beamten Kriegskameraden und kannten den ganzen Dreck. Später würde das anders werden. Für die jungen Beamten würde der Krieg nichts als ein Wort sein – und eine Generationsschuld ihrer Väter. Für sie würden nur gestempelte, besiegelte Beweise gelten. Aber jetzt, 1948 im Oktober, steckte allen der ganze Scheißdreck der vergangenen Jahre noch in den Knochen. Wo waren Sie? Bei Welikiji Luki? Bei Smolensk? Im Donez-Bogen? An der Rollbahn? In den Pripjet-Sümpfen? Mann, war das eine Zeit, was?! Daß wir das durchgehalten haben! Und wo im Lager? I/2.319 … Mann, das war ja unser Nebenlager bei Astbest! Da waren Sie auch? Wie heißen Sie? Hellmuth Wegener, Medizinstudent im vierten Semester? Wollen Sie weiterstudieren? Papiere weg? Mist was? Erklärung an Eides Statt genügt, Kamerad. Aber warum studieren? Sich erst mal am Leben halten und Fressen holen auf dem Schwarzmarkt – das ist wichtiger, Mann. Studieren kann man noch immer. Die Wissenschaft läuft nicht weg, aber der Hunger bleibt.
    So war das. Man konnte sein, wer man wollte – wenn man innerlich die Kraft hatte, das durchzuhalten. Wenn man den inneren Schweinehund schlachtete, wenn man das Gewissen vergiftete, wenn man die verdammte Moral zuschiß!
    »Gleich bringt die Hebamme das Kind«, sagte die nette Schwester an der Tür. »Sie wird auch feststellen, ob es schon bei Ihnen angelegt werden kann. Ich glaube, Sie haben wenig Milch, Frau Wegener.«
    Als die Schwester aus dem Zimmer war, lächelten sie sich an. »An Unterernährung wird unser Sohn nicht leiden«, sagte Wegener fröhlich. »Ich werde heranschaffen, was möglich ist. Und wenn ich die ganze Apotheke als Spezialgeschäft für Babyernährung ausbaue!«
    Sie lachten. Irmi verzog etwas das blasse Gesicht. Die Erschütterung der Bauchdecke durch das Lachen tat weh, aber sie verbiß es tapfer. Dann flog die Tür auf, krachte gegen die Wand, und herein kam eine dicke, rotgesichtige, vor Kraft sprühende Frau mit grauen Haaren, die sie zu einem dicken Knoten gedreht hatte. Sie trug über dem blauen Leinenkleid einen weißen Kittel und schaukelte auf den Armen ein Bündel, das aussah wie eine Wurst aus Tüchern.
    »Jetzt kommt der kleine Tyrann!« trompetete sie, schloß mit einem Fußtritt

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