Eine glückliche Ehe
er nie erkranken. Er wird sich vielleicht totfressen, totsaufen oder tothuren. Und das wird er ganz natürlich finden.
Betrucci in Italien. Ein Multikonzern. Und alles nur, weil mein Provisor René Seifenhaar so enge Hosen trägt.
Wie verrückt ist diese Welt! Muß man wirklich auch verrückt sein, um in ihr zu bestehen? Gerade nur so ein bißchen verrückt, daß man die Aufmerksamkeit auf sich zieht, ohne verlacht zu werden – im Gegenteil: beneidet!
Er tappte die Treppe hinauf und sagte sich, daß ihm das nie gelingen würde. Er war zu normal.
Er spürte es ganz deutlich, als er gebadet hatte, im Bett lag und Irmi neben ihm auf der Bettkante hockte, mit einer Tasse duftenden Kaffees.
»Stell sie weg«, sagte er träge, durchflutet von einer warmen, nach Zärtlichkeit lechzenden Müdigkeit. »Kriech unter die Decke! Du weißt doch, ich ruhe mich am besten aus, wenn ich dich fühle …«
Er schlief tief und fest vier Stunden, bis zum Abendessen. Irmi lag neben ihm, auf seinen gleichmäßigen Atem lauschend, glücklich seine Nähe genießend. Sie hatte eine Hand auf seinem Geschlecht liegen, mit der anderen blätterte sie vorsichtig, damit das Rascheln der Seiten ihn nicht weckte, in der Apothekerzeitung, die auf ihren angezogenen Knien lag.
Endlich stand sie auf; der kleine Peter mußte seine Mischnahrung bekommen: ein Teil Muttermilch, ein Teil vorgesäuerte Milch aus einem Fläschchen. Die Milch in den Brüsten ließ nach, und Frau Viernisch, die ab und zu Irmgard Wegener besuchte, hatte den Rat gegeben, das langsam auslaufen zu lassen und den Kleinen abzusetzen, schon wegen der Brüste. »Dann bleiben sie fest«, sagte die Hebamme. »Sie haben schöne Brüste, Frau Wegener. Das soll so bleiben. Die Männer mögen das, die sind verrückt auf stramme Brüste. So eine ausgetrunkene Brust wird oft schlaff, und wenn die Kerle auch nichts sagen und so tun wie früher – sie denken sich doch was! Passen Sie auf, daß Ihre Brüste knackig bleiben, dann bleibt auch der Mann im Haus!«
Irmi kam zurück ins Bett, als sie Peter versorgt hatte. Hellmuth schlief noch immer. Sie holte eine Illustrierte, zog die Beine wieder an, las weiter und legte die andere Hand wieder über seinen Bauch. Sie spürte, wie etwas wuchs und sich rundete.
Schlaf weiter, dachte sie. Nachher, nach dem Abendessen … Nicht jetzt! Schlaf, mein Liebling. Du bist doch so müde … und ich liebe dich so unsagbar. Ich glaube, ich zerfalle zu Staub, wenn dir etwas passiert. Ich kann ohne dich nicht sein.
Schlaf, mein Liebling.
Er seufzte leise und hob im Schlaf seinen Unterleib ein wenig ihrer warmen Hand entgegen. Aber mehr geschah nicht – er war wirklich zu müde …
Zwei Ereignisse fielen in diesen Tagen zusammen und veränderten die gesamte Lebenslandschaft der Wegeners.
Am Rosenmontag erschien aus Rom der Industrielle Betrucci, um mit Hellmuth Wegener und dem Jüngling René Seifenhaar grundsätzliche Besprechungen wegen der gemeinsamen Arbeit am Projekt Vitalan zu führen. Dr. Schwangler verzichtete, wenn auch mit mühsamer Selbstbeherrschung, auf einschlägige Kommentare, staffierte Betrucci als flotten Cowboy aus, während René Seifenhaar sich als einäugiger Seeräuber kostümierte. Dann zogen sie los in das Kölner Karnevalsgetümmel und kamen erst Aschermittwoch wieder zum Vorschein.
»Um die Verträge brauchen wir keine Angst mehr zu haben«, sagte Dr. Schwangler zufrieden zu Wegener. »Da sind schon einige Siegel drauf gedrückt …«
»Doktor! …« mahnte Wegener. Schwangler grinste unverschämt und verschwand in seinem Büro. Seit zwei Wochen hatte er alles zusammengelegt: seine Anwaltskanzlei und die Geschäftsführung der Vitalan- GmbH … Er hatte gut zu tun, führte die beste Anwaltspraxis weit und breit, denn jetzt, nach einer gewissen Normalisierung der Verhältnisse, da man begann, gutes Geld zu verdienen, und die Ruinen langsam, aber stetig aus den Städten verschwanden, wo Existenzen aufblühten und vor allem das Baugewerbe eine Art Goldgräberboom erlebte, hagelte es auch wieder Ehescheidungen. Darauf war Dr. Schwangler spezialisiert. Meist vertrat er die Ehemänner. Gegen Schwangler hatten dann die Ehefrauen keine Chance mehr, denn die Fragen aus dem Intimbereich, die er mit beispielloser Nonchalance stellte, trieben den armen Frauen die Schamröte ins Gesicht und machten alle Gegenwehr illusorisch. Schwangler konstruierte ehewidriges Verhalten ohne jeden Beweis, jonglierte mit Begriffen wie
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