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Eine glückliche Ehe

Eine glückliche Ehe

Titel: Eine glückliche Ehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Quatsch war, denn eine Kyphose ist eine Rückgratverkrümmung, entweder angeboren wie eine Chondrodystrophie oder erworben wie eine Scheuermann'sche Erkrankung, die Adoleszentenkyphose. So weit wagte sich Wegener aber noch nicht vor. Was er von sich gab, genügte vollkommen, um seinen Ruf als ›Intelligenzbestie‹ bei den Klassenkameraden neu zu festigen. Erst als der Morgen graute, ging man, schwer betrunken, auseinander.
    Walter Zyschka schnarchte fürchterlich im Doppelbett, als Wegener sich angezogen neben ihn auf die Decke legte. Das ganze Zimmer stank nach Alkohol.
    Das wäre es also gewesen, dachte Wegener mit noch immer klarem Kopf. Das Klassentreffen. Soll jedes Jahr stattfinden, immer woanders, reihum. Einmal also auch bei mir in Köln. Soll man das durchhalten oder die ganze Sache einfach einschlafen lassen, indem man zu den nächsten Treffen nicht erscheint?
    Er streifte die Schuhe von den Füßen und ließ seine ›Schulkameraden‹ an sich vorbeiparadieren. Man konnte sie alle brauchen, stellte er wiederum fest: den Großindustriellen, den Juristen, den Architekten, den Kettenladenbesitzer, den Transportunternehmer, den Zeitungsmacher und Drucker, den Möbelhändler … Alles schöne runde Berufe, die sich ergänzen konnten. Und dazwischen er, der Apothekererbe, der zukünftige Chef einer pharmazeutischen Fabrik, der abgebrochene Medizinen, der aber genug Wissen hatte, um mitreden zu können: Hellmuth Wegener, wenn das alles nicht reicht, dir eine lebenswerte Existenz aufzubauen, bist du eine wurmstichige Pflaume! Dann schleiche dich weg nach Osnabrück und werde wieder Schlosser. Ein ehrbarer Handwerksmeister. Was du jetzt treibst und in aller Zukunft treiben wirst, ist ein ewiger Tanz auf dem Seil. Ohne Netz!
    Aber du schaffst es! Du hast Irmi, du hast den winzigen Peter, du hast deine kleine Welt … Und vor allem: Du liebst alles, was du dir genommen hast, mit einer fast heiligen Liebe und könntest Gott jeden Tag auf Knien anflehen, es so weitergehen zu lassen. Alle sind doch glücklich dabei, keinen schädigst du, im Gegenteil, du schaffst Werte für deine Frau und dein Kind, und mit allem, was du tust, wirst du auch vielen anderen Menschen helfen können. Vergiß endlich, was war, und schlag dein Gewissen in Stücke, das dir noch immer zuflüstert: Peter, du bist ein Lump …
    Hellmuth Wegener schlief nicht ein, obwohl ihm die Lider zufielen. In einer Art Dämmerzustand nahm er alles wahr … Zyschka zersägte einen ganzen Wald, im Nebenzimmer fluchte Fritzchen Leber, der nicht schnell genug zur Toilette auf dem Flur kam, das Fenster aufriß und – so hörte sich's an – auf die Straße pinkelte. Im Nebenzimmer zur Rechten hörte man eine Diskussion zwischen Eberhard von Hommer und dem Hotelier, der sich weigerte, die Kellnerin Hannelore herunterzuholen, auch nicht für fünfhundert gute Deutsche Mark.
    Dann war endlich Ruhe im Haus, Wegener duselte etwas ein und wachte erschrocken auf, als Zyschka aus dem Bett fiel. Aber er schlief auf den Dielen weiter. Wegener öffnete das Fenster, um den Gestank hinauszulassen, und blickte auf die noch schlafende Straße.
    Morgen wieder in Köln, dachte er. Bei Irmi, in ihren weichen, warmen Armen, eng an ihrer Pfirsichhaut, die Finger um ihre blonden Haare gedreht, die Beine ineinander verschlungen, irgendwo am Schenkel das Gefühl ihres lockigen, warmen Schoßes.
    Mein Gott, welch ein glückliches Leben!
    Erhalte es mir, mein Gott. Bitte, bitte, erhalte es mir!
    Am späten Vormittag das Kaffeetrinken. Noch einmal alle zusammen an einem Tisch, mit roten Kaninchenaugen, Tränensäcken, saurem Atem, etwas bläßlich, Müdigkeit noch in den Nerven, auch wenn man sich munter und kräftig gab und so tat, als mache einem solch eine Nacht nichts aus.
    »Das war schön, daß wir uns alle mal wiedergesehen haben!« sagte Fritzchen Leber. Und Pitter Ortwin verkündete: »Beim nächsten Mal steht meine Zeitschrift. Dann gibt es eine große Bildreportage: ›So sieht unsere geistige Elite aus!‹«
    Man lachte dröhnend, verdammt, man war eine gute Kameradschaft, gewissermaßen eine Familie, nachdem man den Krieg überlebt hatte und nun, nach den Jahren des Hungers und des Schwarzen Marktes, endlich auf dem besten Wege war, sich eine lohnende Existenz aufzubauen.
    »Wir schreiben uns!« sagten sie, als sie nach dem Kaffee in ihre Autos stiegen. Sie hatten alle eins – vom Mercedes (natürlich von Hommer) bis zum DKW mit Sperrholzkarosserie, den ausgerechnet der

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