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Eine handvoll Dunkelheit

Eine handvoll Dunkelheit

Titel: Eine handvoll Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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dann nicht gelingen würde, den alten Mann wiederzubeleben.« Er sah St. Cyr an. »Und seltsamerweise ist genau das geschehen.«
    Schweigen trat ein.
    Schließlich fragte Gertrude: »Warum sollte Claude denn Louis Sarapis’ Wiederauferstehung verhindern wollen?«
    »Ich habe keine Ahnung«, gestand Harvey. Nachdenklich rieb er sein Kinn. »Ich verstehe nicht einmal ganz das Halbleben. Stimmt es nicht, daß die Halblebenden oft zu neuen Einsichten gelangen, zu neuen Erkenntnissen, und die Dinge aus einer Perspektive sehen, wie es ihnen zu Lebzeiten nicht möglich gewesen war?«
    »Ich habe Psychologen davon reden hören«, stimmte Gertrude zu. »Bekehrung haben das die alten Theologen genannt.«
    »Vielleicht hatte Claude Furcht davor, daß Louis etwas über ihn erfahren würde«, sagte Harvey. »Aber das ist nur eine Vermutung.«
    »Genau, eine Vermutung«, erklärte Claude St. Cyr. »In Wirklichkeit kenne ich absolut niemand, der im Wiedererweckungsgeschäft tätig ist.« Auch seine Stimme klang ruhig; er zwang sie dazu. Eine unangenehme Situation, sagte er sich. Direkt peinlich.
    Dann erschien das Dienstmädchen und rief sie zum Essen. Phil und Gertrude erhoben sich; Claude schloß sich ihnen an und betrat mit ihnen zusammen das Eßzimmer.
    »Wer«, fragte Phil Harvey, »ist eigentlich Sarapis’ Erbe?«
    »Eine Enkelin, die auf Callisto lebt; sie heißt Kathy Egmont, ein seltsames Mädchen ... sie ist erst zwanzig und war schon fünfmal im Gefängnis, hauptsächlich wegen Drogengenuß. Später ist es ihr, soweit ich weiß, gelungen, sich von der Drogensucht zu befreien, und jetzt hat sie sich irgendeiner religiösen Sekte angeschlossen. Ich habe sie nie getroffen, aber ich mußte den umfangreichen Schriftverkehr zwischen ihr und dem alten Louis bearbeiten.«
    »Und sie bekommt das ganze Erbe, wenn Sarapis endgültig stirbt? Mit der ganzen politischen Macht, die es mit sich bringt?«
    »He«, machte St. Cyr, »politische Macht kann nicht vererbt, nicht weitergegeben werden. Kathy bekommt nur die Firmen, die durch die Muttergesellschaft mit Sitz in Delaware gelenkt werden, Wilhelmina Securities, und das gehört ihr, wenn sie wagt, es zu nehmen – falls sie verstehen kann, was sie da erbt.«
    »Du klingst nicht sehr optimistisch«, bemerkte Phil Harvey.
    »Nach ihren Briefen zu schließen – so meine ich zumindest – ist sie krank, kriminell, sehr exzentrisch und labil. Sie wäre die letzte, von der ich wünschen würde, daß sie Louis’ Gesellschaft erbt.«
    Nach dieser Feststellung setzten sie sich an den Tisch.
     
    In der Nacht hörte Johnny Barefoot das Telefon klingeln, setzte sich auf und tastete umher, bis seine Hände den Hörer berührten. Neben ihm im Bett regte sich Sarah Belle, als er brummte: »Hallo. Wer, zum Teufel, ist da?«
    Eine zittrige weibliche Stimme sagte: »Es tut mir leid, Mr. Barefoot ... Ich wollte Sie nicht wecken. Aber mein Anwalt hat mir geraten, Sie sofort nach meiner Ankunft auf der Erde anzurufen.« Sie fügte hinzu: »Ich bin Kathy Egmont, obwohl ich in Wirklichkeit Mrs. Kathy Sharp bin. Kennen Sie mich?«
    »Ja«, erklärte Johnny, rieb seine Augen und gähnte. Er fröstelte angesichts der Kälte im Zimmer; neben ihm zog Sarah Belle die Decke über ihre Schulter und drehte sich auf die andere Seite. »Soll ich Sie abholen? Können Sie irgendwo unterkommen?«
    »Ich besitze keine Freunde auf der Erde«, gestand Kathy. »Aber die Leute vom Raumhafen sagten mir, daß das Beverly ein gutes Hotel sein soll, also werde ich dorthin gehen. Ich habe Callisto verlassen, sobald ich von dem Tod meines Großvaters hörte.«
    »Das ging sehr schnell«, murmelte Johnny. Er hatte sie nicht vor morgen erwartet.
    »Gibt es eine Möglichkeit ...« Das Mädchen klang nervös. »Kann ich vielleicht bei Ihnen bleiben, Mr. Barefoot? Die Vorstellung, in einem Hotel zu wohnen, wo mich niemand kennt, ängstigt mich.«
    »Es tut mir leid«, sagte er schnell. »Ich bin verheiratet.« Und dann erkannte er, daß eine derartige Antwort nicht nur unangebracht, sondern sogar beleidigend war. »Ich meine«, erklärte er, »ich habe kein Gästezimmer. Sie bleiben heute nacht im Beverly, und morgen werden wir Ihnen eine akzeptablere Unterkunft suchen.«
    »In Ordnung«, stimmte Kathy zu. Sie wirkte resigniert, aber immer noch ängstlich. »Sagen Sie, Mr. Barefoot, ist es inzwischen gelungen, meinen Großvater wiederzubeleben? Ist er jetzt ein Halblebender?«
    »Nein«, gestand Johnny. »Bis jetzt hatte man noch

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