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Eine Handvoll Leben: Meine Kindheit im Gulag (German Edition)

Eine Handvoll Leben: Meine Kindheit im Gulag (German Edition)

Titel: Eine Handvoll Leben: Meine Kindheit im Gulag (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Dahlhoff
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der Gestank machte uns jedoch der Berg an Stroh, Kacke und Asche, der sich nach wenigen Tagen unter dem Stuhl türmte. Ich weiß nicht, wer die Idee hatte, aber wir Kleinen mischten die Strohkacke mit der Asche und verrührten alles mithilfe von etwas Wasser. Mit den Händen. Diesen dicken, stinkenden Brei warfen die Großen, wenn es draußen dunkel war, aus dem Fenster. Bei ungünstiger Windrichtung jedoch flog die Hälfte des Mistes wieder herein und der Werferin nicht selten ins Gesicht. Und einige Male kugelten wir uns vor Lachen dabei am Boden. Weniger lustig fand es die Werferin, die sich nur notdürftig reinigen konnte.
    Das Lachen verging uns auch, wenn wir uns zitternd auf dem vollgeschneiten Klostuhl niederlassen mussten.
    Im diesem ersten Winter bekamen wir noch fast jeden Tag eine Suppe und alle paar Tage Brot gebracht. Das Brot teilte ich mir ein, wenngleich ich nicht mehr daran glaubte, dass mein Bruder noch lebte. Für mich war er bei Papa im Himmel. Obwohl die Suppe nicht schmeckte, stürzten wir uns meist auf sie. Es gab mal eine Milch-, dann eine Brot- und selten eine Fleischsuppe, die aber mehr nach Wasser schmeckte – Fleisch habe ich nie darin gefunden. Hatten wir anfangs noch alle einen Teller voll bekommen, gab es bald nur noch einen halben für jede.
    Immer seltener kam die blonde Frau zu uns, es wechselten sich meist drei, vier Soldaten ab. Während der Essensausgabe versuchte ich oft, einen Blick nach draußen zu erhaschen, aber es war das gleiche trostlose Bild, das sich uns bot, wenn wir aus dem Fenster schauten. Der Zaun mit dem Stacheldraht im Schnee, das große verschlossene Tor, die Wachposten mit Gewehren.
    In unserer Zwangsgemeinschaft erlebten wir nur wenige unbeschwerte Momente. Diejenigen, die noch kräftig genug waren, liefen hin und wieder singend um den Ofen, weil ihnen die Beine vom vielen Herumhocken wehtaten. Immer schneller lief ich dann und warf mich irgendwann keuchend und grunzend auf mein Lager, es sei denn, wir hörten Soldaten kommen, dann sprangen wir schon vorher erschrocken auf unser Stroh und verbargen die erhitzten Gesichter darin. So selten solche ausgelassenen Momente waren, so wichtig waren sie auch. Wohl jedes Kind fühlte sich im Grunde zutiefst einsam und verlassen. Ich weiß noch, dass ich oft geweint habe, vor allem, wenn uns mal wieder die Köpfe geschoren wurden. Nur Johanne ließ ich dann an mich heran, nur sie durfte mich trösten. Ihr vertraute ich. Oft schliefen wir beide am Abend auf meinem Strohlager hinter der Tür ein, und Johannes Arm lag schützend über mir.
    Warum sie dieses Mal auf ihrem eigenen Schlafplatz lag – ich weiß es nicht. Mitten in der Nacht wurden wir von einem heftigen Rütteln an der Tür und lautem Fluchen geweckt. Ob zu viel Schnee vor der Tür lag? Oder war sie zugefroren? Im Licht der Laterne, die wir nachts auf dem Tisch stehen hatten, sah ich die Köpfe der anderen, die ebenfalls hochgeschreckt waren. Johanne wollte gerade zu mir herüberhuschen, als die Tür kraftvoll aufgestoßen wurde. Ich verkroch mich in die hinterste Ecke meines Schlafplatzes und traute mich nicht hervorzuschauen. Ein strenger Geruch erfüllte die Baracke. Dann hörte ich Johanne, die rief: »Nein. Ich will nicht mit. Nein!«
    Johanne. Meine Johanne! Was hatte der Soldat vor? Jetzt sah ich panisch hinter der Tür hervor und wollte schreien, dass er meine Freundin in Ruhe lassen sollte. Doch als ich den Mund öffnete, kam nicht mal ein Flüstern heraus. Ich sah mit an, wie der torkelnde Soldat nach Johanne schlug und sie hinfiel. Er warf sich über sie und zischte immer wieder irgendwelche unverständlichen Worte, dann rappelte er sich auf und zerrte Johanne hinter sich her. Ihre verzweifelten Schreie waren noch zu hören, als die Tür längst wieder verriegelt war.
    Kein Kind hatte sich getraut, den Soldaten aufzuhalten, wir alle hatten versteinert und angstvoll dagesessen oder -gelegen. Und vielleicht hatten auch die anderen gedacht: Bitte, nimm mich nicht auch noch mit. Ich kauerte bis zum nächsten Morgen in meiner Ecke und weinte und schaukelte hin und her, ohne mich zu beruhigen. Was wollte er mit einem Mädchen mitten in der Nacht? Ich wusste es nicht. Ich ahnte, dass es etwas Furchtbares war. Vor meinem inneren Auge sah ich sie am Boden liegen, mit einem Loch im Kopf. Und gleichzeitig dachte ich, jeden Moment kommt sie wieder zur Tür herein und setzt sich zu mir und legt den Arm um mich.
    Die Gespräche der anderen am Morgen holten mich

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