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Eine Handvoll Leben: Meine Kindheit im Gulag (German Edition)

Eine Handvoll Leben: Meine Kindheit im Gulag (German Edition)

Titel: Eine Handvoll Leben: Meine Kindheit im Gulag (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Dahlhoff
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Und kein anderer darf daran.«
    »Dann kann ich auch mein Brot hineinlegen?«
    »Klar.« Bernhard sah kurz seine Mutter an und nickte noch einmal zur Bestätigung.
    »Und auch die Ratten kommen da nicht ran?«
    »Hast du schon mal eine Ratte gesehen, die eine Schranktür öffnet?« Die Pflegemutter schmunzelte.
    Noch immer zögernd, legte ich die Brotreste in den Schrank und schloss dann schnell die Tür.
    »So, und bevor Bernhard und Vati dir jetzt gleich den Hof zeigen, verbinde ich dir noch den Kopf und den Fuß neu. Schau mal, dieses Tuch hier, das kommt über den frischen Kopfverband, dann siehst du richtig hübsch aus. Und hier ist noch eine Ledersohle, die hat Vati für dich geschnitten. Damit kannst du sicher besser laufen als nur mit dem Verband.«
    Ich ließ alles geschehen und war richtig glücklich mit dem schönen Tuch auf dem Kopf und der bequemen Sohle unter dem Fuß.
    »In dieser Wohnung ist eine Familie mit Baby, die Eltern und die beiden älteren Kinder sind im Krieg zu uns gezogen«, sagte Bernhard, als wir aus der Wohnungstür in den Hausflur kamen, und zeigte auf die Tür gegenüber. »Und unter uns wohnt Tante Frieda. Vati ist oft bei ihr. Sicher wartet er schon auf uns.« Bernhard lief zur Treppe, schwang sich auf das Geländer, rutschte es hinab und sprang am Ende gekonnt auf die schwarz-weißen Bodenfliesen. Wie gern hätte ich es ihm nachgetan! Aber das Geländer war für mich zu hoch, und so humpelte ich Stufe für Stufe hinunter.
    Der Pflegevater hatte tatsächlich schon auf uns gewartet. »Na, dann kann es ja losgehen«, brummte er, nachdem uns Tante Frieda die Tür geöffnet hatte. »Aber nicht, bevor ich und die Kinder Monika ordentlich begrüßt haben«, sagte Tante Frieda, und ihr warmes Lächeln ließ auch mich strahlen. Sie beugte sich zu mir hinunter und reichte mir die Hand. »Du darfst Tante Frieda zu mir sagen, wenn du magst.« Ich knickste. »Du bist aber ein gut erzogenes Kind«, lobte mich Tante Frieda. »Kinder, kommt, begrüßt Monika!«, rief sie nun. Die drei kamen aus einem anderen Zimmer angelaufen und gaben mir ebenfalls die Hand. »Das sind meine Kinder. Franz … Margret … und die kleine Inge.« So viel Händeschütteln war ich gar nicht gewohnt, und ich steckte meine Hände danach schnell in die aufgenähten Taschen auf meinem Kleid.
    Verstohlen schaute ich mich um. Es gab wie oben zwei große Fenster, aber insgesamt war der Raum größer, und ein mächtiger Ofen stand darin. »Das hier ist die Gesindeküche«, sagte der Pflegevater. »Und hier hat Tante Frieda das Sagen!« Es war das erste Mal, dass ich ihn vergnügt sah.
    »Aber Arthur, erzähl doch nicht solchen Unsinn. Jetzt geht lieber Monika den Hof und die Tiere zeigen, darauf freut sie sich bestimmt schon. Nicht wahr, meine Kleine?«
    »Ja. Vor allem auf die Tiere«, sagte ich.
    »Wenn ihr alles gesehen habt, gibt es bei mir hier unten Mittagessen. Dann sehen wir uns wieder.«
    Das Anwesen der Koehlers war so weitläufig, dass man es vom Haus aus nicht überblicken konnte. Hinter dem Haus und den Ställen und der Scheune – manche Gebäude hatten große Tore statt Türen – erstreckte sich ein großzügiger Platz mit Springbrunnen, über den man zu den Obstwiesen, Feldern und Äckern gelangte. Der Pflegevater erklärte mir in knappen Worten, was wo war und eilte ohne Rücksicht auf meinen Fuß zügig von einem Gebäude zum nächsten. Es gab einen Hühner- und einen Ziegenstall, Stallungen für Pferde, aber es gab nur ein paar alte Gäule, ein großes Lagerhaus für die Obsternte sowie eine Scheune. Außer einer herumstreunenden Katze war jedoch kein Tier zu sehen. »Die sind alle draußen«, erklärte Bernhard, der wie auch Tante Friedas Kinder mitgekommen war. Der Pflegevater schritt nun an dem stillgelegten Springbrunnen vorbei auf eine Wiese mit Büschen und Bäumen zu. Erst beim Näherkommen sah ich den Zaun mit dem Tor. Und wenn es auch kein Stacheldrahtzaun war, so flößte mir die Einzäunung doch solch eine Angst ein, dass sich meine Schritte wie von selbst verlangsamten. »Was ist, Monika, tut dir der Fuß weh? Soll ich dich tragen?« Der Pflegevater war stehen geblieben und wartete.
    »Nein, es ist nur … der Zaun. Willst du mich einsperren?«
    Jetzt schaute der hochgewachsene Mann entgeistert auf mich hinunter. »Aber nein, wie kommst du denn darauf?«, sagte er.
    Auch Bernhard sprach mir Mut zu. »Hinter dem Zaun sind unsere Gärten. Und den Zaun hat Vati nur aufgestellt, damit niemand die

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