Eine Handvoll Venus: Meisterwerk der Science Fiction - Roman (German Edition)
Malthus‹. Wind und Wetter: unwesentlich. Kurs 273 Grad. Geschwindigkeit 300, Bestimmungsort Costa Rica, Fracht: Arbeitskräfte für die Chlorella-Plantagen.« Es klang wie das Geleier eines abgelösten Wachoffiziers, vielleicht auch nur wie eine grobe Karikatur dessen.
»Sie sind …« Ich zögerte.
»Degradiert«, vollendete er bitter meinen Satz und starrte auf die grüne Kapsel in seiner Hand. Unvermittelt schluckte er sie und fuhr dann fort: »Aber ich bin schon bald wieder voll da.« Ein Glitzern erschien in seinen Augen. »Ich werde in diesen Plantagen neue und wirksame Methoden einführen. Ich werde innerhalb einer Woche Vorarbeiter. In einem Monat bin ich Werksleiter. In einem Jahr Direktor. Und dann kaufe ich die Cunard Line auf und verkleide alle Leuchtraketen mit purem Gold. Nur erstklassige Quartiere. Das Beste für meine Passagiere. Sie war immer gut in Schuss auf der Atlantik-Route. Ich werde dir eine vergoldete Luxuskabine an Bord meines Flaggschiffes einrichten, Kumpel. Das Beste ist gerade gut genug für meinen Freund. Wenn du kein Gold magst, nehme ich Platin. Wenn du kein …« Zentimeter für Zentimeter zog ich mich zurück, ohne dass er es bemerkte. Er leierte seine wirre Litanei herunter. Mann, war ich froh, dass ich niemals Drogen genommen hatte. Ich kam an ein Schott, setzte mich und lehnte mich entmutigt dagegen. Jemand setzte sich neben mich und sagte: »Hallo.« Es klang zutraulich.
»Hallo«, erwiderte ich. »Sind wir wirklich nach Costa Rica unterwegs? Muss unbedingt einen Schiffsoffizier sprechen, wie kann ich das anstellen? Das Ganze ist ein unglaublicher Irrtum.«
»Oh«, sagte der Mann, »warum sich darüber Gedanken machen? Leben und leben lassen. Iss, trink und sei guten Mutes, das ist mein Wahlspruch.«
»Nimm deine gottverdammten Pfoten weg!«, rief ich.
Er wurde ausfallend und beleidigend, ich stand auf und ging weiter, stolperte über Beine und Leiber.
Mir kam plötzlich in den Sinn, dass ich eigentlich niemals einfache Verbraucher kennengelernt hatte, ich hatte mit ihnen nur in den kurzen Augenblicken zu tun, wenn sie mich bedienten. Mir fiel ein, dass ich ihre homosexuelle Komponente akzeptiert und ausgenutzt hatte, ohne mir jemals klarzumachen, was das in Wirklichkeit bedeutete. Ich wünschte mir von ganzem Herzen, Laderaum Nummer sechs verlassen zu können. Ich wollte zurück nach New York und feststellen, welchen Streich Runstead mir da gespielt hatte, zurück zu Kathy, zu Jack O’Shea und meiner großartigen Stellung bei Fowler Schocken. Ich hatte zu tun.
Eines der roten Lichter trug die Aufschrift »Notausgang«. Ich dachte an die Hunderte von Menschen, die hier zusammengepfercht waren und die sich in einem Notfall durch diese Tür quetschen würden. Mich schauderte.
»Entschuldigung, Kumpel«, sagte plötzlich jemand mit heiserer Stimme zu mir. »Gehen Sie lieber beiseite.« Er begann sich zu erbrechen, und offenbar gab es an Bord eines Arbeiterfrachters keine Papiertüten oder andere Behälter.
Ich öffnete die Tür vom Notausgang und glitt ins Freie.
»Na?«, brummte ein riesiger Wachtposten.
»Ich möchte einen Schiffsoffizier sprechen«, sagte ich.
»Ich bin irrtümlich hier. Ich heiße Mitchell Courtenay und bin Texter bei Fowler Schocken Inc.«
»Die Nummer«, bellte er.
»16-156-187«, erwiderte ich und muss gestehen, dass ein wenig Stolz in meiner Stimme lag. Man kann Geld, Gesundheit und Freundschaften verlieren, aber die niedrige Sozialversicherungsnummer kann einem niemand nehmen …
Er rollte einfach meinen Hemdsärmel auf – und im nächsten Augenblick wirbelte ich gegen das Schott, auf meinem Gesicht brannte eine Ohrfeige. »Zurück unter Deck, du Wanze!«, brüllte der Mann. »Du bist hier nicht auf einem Vergnügungsdampfer, und ich halte nichts von dummen Scherzen.«
Ungläubig starrte ich auf meine Armbeuge. Die tätowierte Nummer lautete 1304-9974-1416-156-187723. Meine eigene Nummer war darin enthalten; die Farbe passte ausgezeichnet. Die Zahlen sahen ein wenig anders aus – aber außer mir konnte es niemandem auffallen.
»Worauf warteste noch?«, fragte der Wachtposten. »Haste deine Nummer noch nie gesehen?«
»Nein«, sagte ich gefasst, aber meine Beine zitterten. Ich hatte Angst – entsetzliche Angst. »Ich habe diese Nummer noch nie gesehen. Sie ist um meine wirkliche Nummer herumtätowiert worden. Ich bin Courtenay, wenn ich es Ihnen doch sage! Ich kann es beweisen. Ich werde Sie bezahlen.« Ich suchte in meinen
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