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Eine Handvoll Worte

Titel: Eine Handvoll Worte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jojo Moyes
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Gelächter.
    »Ich stelle das Ding in Mr Stirlings Büro. Vielleicht könnt ihr ihn fragen, was ihm gefällt.«
    Sie vernahm missmutiges Raunen, als sie durch das Büro ging, und stellte sich dem gegenüber taub. Je größer die Firma geworden war, umso tiefer war das Niveau der Beschäftigten gesunken. Heutzutage hatte niemand mehr Respekt vor den Vorgesetzten, der Arbeitsmoral oder Mr Stirlings Leistungen. Ziemlich häufig war sie auf dem Heimweg so schlecht gelaunt, dass sie schon am Verkehrsknotenpunkt Elephant and Castle war, bevor ihre Häkelarbeit sie ablenken konnte. Manchmal hatte sie das Gefühl, als wüssten nur sie und Mr Stirling – und vielleicht Mrs Kingston aus der Buchhaltung –, wie man sich benahm.
    Und dann die Kleidung! Püppchen nannten sie sich, und das war auf grauenhafte Weise zutreffend. Herausgeputzt, nichtssagend und kindisch, wie sie waren, verbrachten die Mädels im Schreibbüro viel mehr Zeit damit, an ihr Aussehen zu denken, die kurzen Röcke und das lächerliche Make-up an den Augen, als an die Briefe, die sie zu tippen hatten. Am Nachmittag zuvor hatte sie drei zurückgeben müssen. Fehlerhafte Rechtschreibung, ausgelassenes Datum, sogar ein »Mit freundlichen Grüßen«, obwohl sie deutlich »Hochachtungsvoll« diktiert hatte. Als sie darauf hinwies, hatte Sandra die Augen verdreht, ungeachtet dessen, dass Moira sie sah.
    Moira seufzte, klemmte das Radio unter den Arm, stellte kurz fest, dass Mr Stirlings Bürotür mittags nur selten geschlossen war, drückte die Klinke und ging hinein.
    Marie Driscoll saß ihm gegenüber – und nicht auf dem Stuhl, den Moira benutzte, wenn sie ein Diktat aufnahm, sondern auf seinem Schreibtisch. Der Anblick war so verblüffend, dass sie eine Weile brauchte, um zu registrieren, dass er plötzlich zurückgetreten war, als sie hereinkam.
    »Ah, Moira.«
    »Verzeihung, Mr Stirling. Ich wusste nicht, dass jemand bei Ihnen ist.« Sie warf der jungen Frau einen scharfen Blick zu. Was um alles in der Welt bildete sie sich ein? Waren denn alle verrückt geworden? »Ich … ich habe dieses Radio mitgenommen. Die Mädchen hatten es in voller Lautstärke laufen. Ich dachte, wenn sie Ihnen Rede und Antwort stehen müssten, würde es sie zum Nachdenken bringen.«
    »Verstehe.« Er setzte sich auf seinen Stuhl.
    »Ich war besorgt, dass es Sie stören könnte.«
    Ein längeres Schweigen trat ein. Marie machte keinerlei Anstalten, sich vom Fleck zu rühren, zupfte nur an ihrem Rock, der den Oberschenkel nur halb bedeckte. Moira wartete darauf, dass sie ging.
    Doch Mr Stirling ergriff das Wort. »Ich bin froh, dass Sie hereingekommen sind. Ich wollte unter vier Augen mit Ihnen sprechen. Miss Driscoll, würden Sie uns einen Moment allein lassen?«
    Mit offenkundigem Widerwillen rutschte das Mädchen vom Tisch und stakste an Moira vorbei, die sie dabei musterte. Sie hatte zu viel Parfüm aufgelegt, dachte Moira. Die Tür schloss sich hinter ihr, und dann waren sie allein. So, wie sie es mochte.
    Mr Stirling hatte in den Monaten nach dem ersten Mal noch zwei Mal mit ihr geschlafen. Vielleicht war »schlafen« etwas übertrieben: Beide Male war er sehr betrunken gewesen, es war kürzer und funktioneller gewesen als beim ersten Mal, und am nächsten Tag war er nicht mehr darauf zu sprechen gekommen.
    Trotz ihrer Versuche, ihm zu verstehen zu geben, dass sie ihn nicht abweisen würde – die selbst gemachten Sandwichs, die sie auf seinen Schreibtisch gelegt hatte, ihre besonders nette Frisur –, war es nicht wieder vorgekommen. Dennoch hatte sie gewusst, dass sie etwas Besonderes für ihn war, hatte ihr vertrauliches Wissen genossen, wenn ihre Kolleginnen in der Kantine über den Chef sprachen. Sie verstand, wie sehr ihn dieses Doppelspiel belasten würde, und auch wenn sie sich wünschte, die Dinge würden anders liegen, respektierte sie seine bewundernswerte Zurückhaltung. Bei den seltenen Gelegenheiten, zu denen Jennifer Stirling vorbeikam, fühlte sie sich nicht mehr durch den Glanz der Frau eingeschüchtert. Wärst du ihm eine richtige Frau gewesen, hätte er sich nie auf mich einlassen müssen. Mrs Stirling hatte nie sehen können, was sie vor sich hatte.
    »Setzen Sie sich, Moira.«
    Sie nahm auf viel schicklichere Weise Platz, als die junge Driscoll, stellte die Beine ordentlich nebeneinander und bedauerte plötzlich, nicht ihr rotes Kleid angezogen zu haben. Er mochte es an ihr, hatte es mehrfach gesagt. Draußen vernahm sie Gelächter und fragte sich

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