Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Eine Handvoll Worte

Titel: Eine Handvoll Worte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jojo Moyes
Vom Netzwerk:
dann hätte ich mich vielleicht nie an dich erinnert. Ich hätte nie erfahren …«
    »Aber wer hat dir gesagt, ich sei tot?«
    »Laurence. Guck nicht so. Er ist nicht grausam. Ich denke, er hat es wirklich geglaubt.« Sie wartete einen Augenblick. »Er wusste, es gab … jemanden, verstehst du. Er hat deinen letzten Brief gelesen. Nach dem Unfall muss er zwei und zwei …«
    »Meinen letzten Brief?«
    »In dem du mich bittest, dich am Bahnhof zu treffen. Ich hatte ihn bei mir, als der Wagen verunglückte.«
    »Das verstehe ich nicht – das war nicht mein letzter Brief …«
    »Oh, lassen wir das«, unterbrach sie ihn. »Bitte … Es ist zu …«
    »Und was dann?«
    Sie betrachtete ihn intensiv. »Jennifer, ich …«
    Sie trat so nah an ihn heran, dass er selbst bei der schwachen Beleuchtung jede noch so kleine Sommersprosse auf ihrem Gesicht sah, ihre Wimpern, zu kleinen, scharfen Spitzen geformt, die das Herz eines Mannes durchbohren konnten. Sie war bei ihm und doch entfernt, als würde sie eine Entscheidung treffen.
    »Boot«, sagte sie leise, »bist du wütend auf mich? Noch immer?«
    Boot.
    Er schluckte. »Wie könnte ich?«
    Mit beiden Händen verfolgte sie die Umrisse seines Gesichts, ihre Fingerspitzen berührten ihn kaum. »Haben wir das gemacht?«
    Er starrte sie an.
    »Vorher?« Sie blinzelte. »Ich weiß es nicht mehr. Ich kenne nur deine Worte.«
    »Ja.« Ihm brach die Stimme. »Ja, das haben wir gemacht.« Er spürte ihre kalten Finger auf der Haut und erinnerte sich an ihr Parfüm.
    »Anthony«, murmelte sie, und es lag so viel Anmut in der Art, wie sie seinen Namen aussprach, eine unerträgliche Zärtlichkeit, die genau die Liebe und den Verlust ausdrückte, die auch er empfunden hatte.
    Sie lehnte sich an ihn, und er vernahm den Seufzer, der aus ihrem tiefsten Innern kam, dann spürte er ihren Atem auf den Lippen. Die Luft um sie herum stand still. Ihre Lippen lagen auf seinen, und in seiner Brust brach etwas auf. Er hörte sich nach Luft schnappen und merkte entsetzt, dass sich seine Augen mit Tränen gefüllt hatten. »Verzeih«, flüsterte er beschämt, »verzeih. Ich weiß nicht … warum …«
    »Ich weiß«, sagte sie. »Ich weiß.« Sie schlang die Arme um seinen Hals, küsste die Tränen ab, die ihm über die Wangen liefen, und murmelte. Sie klammerten sich aneinander, freudig erregt, verzweifelt, sie beide konnten die Wendung der Ereignisse nicht ganz glauben. Die Zeit verschwamm, die Küsse wurden drängender, die Tränen versiegten. Er zog ihr den Pullover über den Kopf, stand beinahe hilflos da, als sie sein Hemd aufknöpfte. Mit einer fröhlichen Verrenkung war es ausgezogen, seine Haut lag an ihrer, und schon waren sie auf dem Bett, umeinander geschlungen, ihre Körper brannten vor Begierde.
    Er küsste sie, versuchte ihr damit die Tiefe seiner Gefühle zu vermitteln. Auch als er sich in ihr verlor, ihr Haar auf seinem Gesicht spürte, seiner Brust, als ihre Lippen, ihre Finger, über seine Haut strichen, wusste er, dass es Menschen gab, die füreinander geschaffen waren.
    Sie war lebendig unter ihm; sie setzte ihn in Brand. Er küsste die Narbe, die bis an ihre Schulter reichte, ignorierte ihre Hemmung, bis sie hinnahm, was er ihr sagte: Diese silbrige Spur war in seinen Augen schön; sie sagte ihm, dass Jennifer ihn geliebt hatte. Sagte ihm, dass sie zu ihm hatte kommen wollen. Er küsste die Narbe, weil es keinen Teil an ihr gab, den er nicht heilen wollte, keinen Teil, den er nicht verehrte.
    Verlangen stieg in ihr auf, als wäre es ein gemeinsames Geschenk, eine unendliche Vielfalt von Ausdrücken huschte über ihr Gesicht; er sah sie ungeschützt, verfangen in einem Kampf mit sich selbst, und als sie die Augen aufschlug, fühlte er sich gesegnet.
    Als er kam, weinte er wieder, weil er im Grunde seines Herzens immer gewusst hatte, auch wenn er lieber nicht daran hatte glauben wollen, das es etwas geben musste, das dieses Gefühl erzeugte. Und dass es erwidert wurde, war mehr, als er sich hatte wünschen können.
    »Ich kenne dich«, murmelte sie, ihre feuchte Haut an seiner, ihre Tränen nass an seinem Hals. »Ich kenne dich tatsächlich.«
    Einen Moment lang konnte er nicht sprechen, sondern starrte an die Decke, empfand die Luft um sie herum als kühl. »Oh, Jenny«, sagte er. »Gott sei Dank.«
    Als ihre Atmung sich wieder normalisiert hatte, stützte sie sich auf den Ellbogen und schaute auf ihn herab. Etwas an ihr hatte sich verändert: Ihre Gesichtszüge waren straffer,

Weitere Kostenlose Bücher