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Eine Handvoll Worte

Titel: Eine Handvoll Worte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jojo Moyes
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schon seit einiger Zeit nicht mehr viel getan, worauf ich stolz sein könnte. Alles, was ich schreibe, ist kurzlebig. Der Müll von morgen.«
    »Ach was? Warum arbeiten Sie dann so viel?«
    Er schluckte und schob das Bild seines Sohnes von sich. Plötzlich wünschte er sich sehnlichst einen Drink. Er zwang sich zu einem Lächeln. »Aus den Gründen, die Sie genannt haben.«
    Ihre Blicke trafen sich, und in dem unbedachten Moment versiegte ihr Lächeln. Sie errötete leicht und rührte langsam mit einem Cocktailstäbchen in ihrem Drink. »Indirekt«, sagte sie bedächtig. »Sie werden mir erzählen müssen, was das bedeutet, Anthony.«
    Die Art, wie sie seinen Namen aussprach, führte eine gewisse Vertrautheit ein. Darin lag ein Versprechen, eine Wiederholung irgendwann in der Zukunft.
    »Es bedeutet …« Anthonys Mund war trocken geworden. »… es bedeutet Freude, die man empfindet, wenn sich ein anderer freut.«
    Nachdem sie ihn am Hotel abgesetzt hatte, legte er sich auf das Bett und starrte fast eine Stunde lang an die Decke. Dann ging er hinunter an den Empfang, bat um eine Postkarte und schrieb ein paar Zeilen an seinen Sohn, wobei er sich fragte, ob Clarissa sich die Mühe machen würde, sie ihm zu geben.
    Als er in sein Zimmer zurückkehrte, war eine Notiz unter der Tür hindurchgeschoben worden:
    Lieber Boot,
    obwohl ich noch nicht überzeugt bin, dass Sie kein Arschloch sind, bin ich bereit, Ihnen noch eine Chance zu geben, mich zu überzeugen. Meine Pläne für den heutigen Abend haben sich zerschlagen. Ich werde im Hôtel des Calypsos in der Rue St. Jacques dinieren und würde mich über Gesellschaft freuen, 20h.
    Er las den Text zwei Mal durch, lief dann hinunter und schrieb ein Telegramm an Don:
    Letztes Telegramm hinfällig – stop – bleibe, um an einer Serie über High Society an der Riviera zu arbeiten – stop – einschließlich Modetips – stop
    Er grinste, faltete das Blatt zusammen und gab es ab. Anthony stellte sich das Gesicht seines Redakteurs vor, wenn er das Telegramm las, und versuchte herauszufinden, wie er seinen Anzug vor dem Abend gereinigt bekam.
    An dem Abend war Anthony O’Hare äußerst charmant. Er war so, wie er es am Abend zuvor hätte sein sollen. So, wie er es vielleicht hätte sein sollen, als er verheiratet war. Er war witzig, zuvorkommend, galant. Sie war noch nie im Kongo gewesen – ihr Mann sagte, das sei nichts für »welche wie dich« –, und vielleicht weil er nun ein natürliches Bedürfnis hatte, Stirling zu widersprechen, beschloss Anthony, in ihr den Wunsch zu erwecken, das Land zu lieben. Er schilderte ihr die eleganten, von Bäumen gesäumten Straßen von Léopoldville, die belgischen Siedler, die lieber ihre gesamte Nahrung, in Dosen und eingefroren, für einen immensen Kostenaufwand importierten, statt von einem der reichhaltigsten Nahrungsmittelangebote der Welt zu kosten. Er erzählte ihr vom Schock der Europäer in der Stadt, als ein Aufstand in der Garnison von Léopoldville mit ihrer Verfolgung und der Flucht in die relative Sicherheit von Stanleyville endete.
    Er wollte sich ihr gegenüber von seiner besten Seite zeigen, sie sollte ihn mit Bewunderung ansehen, statt mit diesem Anschein von Mitleid und Gereiztheit. Etwas Eigenartiges geschah: Während er den charmanten, optimistischen Fremden mimte, stellte er fest, dass er für kurze Zeit dessen Wesen annahm. Er dachte an seine Mutter: »Lächle«, sagte sie ihm immer, als er noch ein Junge war, das würde ihn glücklicher machen. Er hatte ihr nicht geglaubt.
    Jennifer ihrerseits war unbeschwert. Sie hörte mehr zu, als selbst etwas zu sagen, so wie man es von gesellschaftlich versierten Frauen erwartete, und wenn sie über seine Worte lachte, ertappte er sich dabei, dass er sich aufblähte, eifrig darauf bedacht, sie erneut zum Lachen zu bringen. Befriedigt stellte er fest, dass sie bewundernde Blicke auf sich zogen – das furchtbar fröhliche Paar an Tisch sechzehn. Eigenartigerweise tangierte es sie nicht, mit einem Mann gesehen zu werden, mit dem sie nicht verheiratet war. Vielleicht funktionierte die feine Gesellschaft an der Riviera so, dachte er, ein endloses gesellschaftliches Duett mit den Ehemännern und Ehefrauen anderer Leute. Er mochte nicht an die andere Möglichkeit denken: dass man einen Mann seiner Statur, seiner gesellschaftlichen Stellung nicht als Bedrohung ansehen konnte.
    Kurz nach dem Hauptgang trat ein Mann in makellos geschneidertem Anzug an ihren Tisch. Er küsste

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