Eine Handvoll Worte
Mal in seinem Kopf ab, bevor er sicher sein konnte, was sie da gesagt hatte. Er trank noch einen Schluck aus seinem Glas und erholte sich. »Das ist gut.«
»Tatsächlich?«
»Nein.« Er zwang sich zu einem Lächeln. »Das ist es nicht. Aber es wird so sein müssen.«
»Ich bin nicht unglücklich genug, um mit Ihnen zu schlafen.«
Herrgott, wenn sie ihn anschaute, war ihm, als könnte sie alles sehen. Er wusste nicht genau, ob ihm das gefiel.
»Ich habe nicht einmal einen anderen Mann geküsst, seitdem ich verheiratet bin. Keinen einzigen.«
»Das ist bewundernswert.«
»Sie glauben mir nicht.«
»Doch. Es ist selten.«
»Jetzt halten Sie mich wirklich für entsetzlich langweilig.« Sie stand auf und ging zur Brücke, wo sie sich zu ihm umdrehte. »Verlieben sich Ihre verheirateten Frauen in Sie?«
»Ein bisschen.«
»Sind sie traurig, wenn Sie sie verlassen?«
Sie wartete.
»Was die Frage betrifft, ob sie sich verlieben«, fügte er schließlich hinzu. »Im Allgemeinen spreche ich hinterher nicht mit ihnen.«
»Sie beachten sie nicht?«
»Nein. Ich bin oft im Ausland. Ich neige dazu, nicht lange an einem Ort zu sein. Und im Übrigen haben sie ihre Männer, ihr Leben … Ich glaube nicht, dass auch nur eine von ihnen jemals vorhatte, ihren Mann zu verlassen. Ich war nur … eine Zerstreuung.«
»Haben Sie eine von ihnen geliebt?«
»Nein.«
»Haben Sie Ihre Frau geliebt?«
»Das dachte ich. Jetzt bin ich mir nicht mehr sicher.«
»Haben Sie überhaupt jemals einen Menschen geliebt?«
»Meinen Sohn.«
»Wie alt ist er?«
»Acht. Sie würden eine gute Journalistin abgeben.«
»Sie können es wirklich nicht ertragen, dass ich nichts Nützliches tue, nicht wahr?« Sie brach in lautes Gelächter aus.
»Ich glaube, Sie sind in dem Leben, das Sie führen, verschwendet.«
»Ach ja? Und was soll ich Ihrer Meinung nach stattdessen tun?« Sie trat ein paar Schritte auf ihn zu. Er sah, wie das Mondlicht auf ihre blasse Haut schien, den blauen Schatten in ihrer Halsbeuge. Sie kam noch einen Schritt näher und senkte die Stimme, obwohl niemand in der Nähe war. »Wie haben Sie noch zu mir gesagt, Anthony? ›Versuchen Sie nicht, mich zu manipulieren‹.«
»Warum sollte ich? Sie haben mir deutlich gemacht, dass Sie nicht unglücklich sind.« Sein Atem war ihm im Hals stecken geblieben. Sie war jetzt so nah, ihre Augen suchten Blickkontakt. Er fühlte sich betrunken, seine Sinne schärften sich, als würde jeder Teil von ihr sich erbarmungslos in sein Bewusstsein einprägen. Er atmete ihren Duft ein, etwas Blumiges, Orientalisches.
»Ich glaube«, sagte sie bedächtig, »dass Sie alles, was Sie mir heute Abend gesagt haben, jeder anderen Ihrer verheirateten Frauen sagen würden.«
»Da irren Sie sich«, erwiderte er. Aber er wusste, dass sie absolut recht hatte. Er musste an sich halten, sich nicht auf diesen Mund zu stürzen und ihn unter dem seinen zu begraben. Er glaubte, noch nie im Leben erregter gewesen zu sein.
»Ich denke«, sagte sie, »dass Sie und ich einander furchtbar unglücklich machen könnten.«
Und während sie es aussprach, kippte etwas in ihm um, als wäre er besiegt. »Ich glaube«, sagte er langsam, »dass mir das sehr gefallen würde.«
Bleibe in Griechenland, komme nicht nach London zurück, denn du jagst mir Angst ein, aber auf eine gute Art und Weise.
Mann an Frau, per Postkarte
6
D ie Frauen klopften wieder. Sie konnte sie von ihrem Schlafzimmerfenster aus gerade sehen: Eine dunkle und eine mit unnatürlich roten Haaren saßen am Fenster der Wohnung im Erdgeschoss des Hauses an der Ecke. Wenn ein Mann vorbeiging, pochten sie an die Scheibe, winkten und lächelten, wenn er unklug genug war, aufzuschauen.
Sie brachten Laurence zur Weißglut. Anfang des Jahres war gerade ein Urteil vom Obersten Gerichtshof ergangen, in dem der Richter diese Frauen verwarnt hatte. Laurence sagte, ihr Anbiedern, so unauffällig es auch sein mochte, verschandele die Gegend. Er konnte nicht verstehen, warum niemand etwas dagegen unternahm, wenn sie doch gegen das Gesetz verstießen.
Jennifer hatte nichts gegen sie. In ihren Augen waren sie wie Gefangene hinter Glas. Ein Mal hatte sie ihnen sogar zugewinkt, aber die Frauen hatten sie nur verständnislos angeschaut, und sie war weitergeeilt.
Davon abgesehen hatte ihr Alltag eine neue Routine angenommen. Sie stand mit Laurence zusammen auf, machte ihm Kaffee und Toast und holte die Zeitung aus der Diele, während er sich rasierte und anzog.
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