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Eine Handvoll Worte

Titel: Eine Handvoll Worte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jojo Moyes
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Häufig war sie schon vor ihm auf den Beinen, kämmte und schminkte sich, damit sie, wenn sie im Morgenmantel in der Küche hantierte, einen erfreulichen und ordentlichen Anblick bot, falls er von seiner Zeitung aufschauen sollte, was selten vorkam. Irgendwie war es leichter, den Tag zu beginnen, wenn er nicht gereizt seufzte.
    Er erhob sich dann vom Tisch, ließ sich von ihr in den Mantel helfen, und für gewöhnlich klopfte sein Fahrer kurz nach acht diskret an die Haustür. Sie winkte, bis der Wagen um die Ecke bog und verschwand.
    Etwa zehn Minuten später begrüßte sie Mrs Cordoza, und während die ältere Frau ihnen eine Kanne Tee machte und vielleicht eine Bemerkung über die Kälte fallen ließ, ging sie die vorbereitete Liste mit allem durch, was an dem Tag vielleicht zu tun war. An erster Stelle vor den üblichen Aufgaben wie Saugen, Staub wischen und Waschen stand häufig eine Näharbeit: ein Manschettenknopf war von Laurences Hemd abgegangen, oder Schuhe mussten geputzt werden. Mrs Cordoza sollte den Wäscheschrank durchsehen und neu falten, was darin war, oder das Edelstahl-Kochgeschirr polieren, wobei sie am Küchentisch saß, der mit Zeitungspapier ausgelegt war, und Radio hörte.
    Jennifer würde inzwischen ein Bad nehmen und sich anziehen. Schon möglich, dass sie nebenan auf einen Kaffee bei Yvonne vorbeischaute, ihre Mutter zu einem leichten Lunch ausführte oder sich ein Taxi rief, mit dem sie in die Stadtmitte fuhr, um ein paar Weihnachtseinkäufe zu erledigen. Sie sorgte dafür, dass sie immer am frühen Nachmittag wieder zu Hause war. Zu diesem Zeitpunkt hatte sie häufig eine andere Aufgabe für Mrs Cordoza gefunden: eine Fahrt mit dem Bus, um Vorhangstoff zu kaufen; die Suche nach einem besonderen Fisch, den Laurence sich gewünscht hatte. Ein Mal gab sie der Haushälterin einen Nachmittag frei – um sich selbst eine oder zwei Stunden allein im Haus zu gönnen, Zeit herauszuschinden, um nach weiteren Briefen zu suchen.
    In den beiden Wochen, die vergangen waren, seitdem sie den ersten gefunden hatte, war sie auf zwei andere gestoßen. Auch diese waren an ein Postfach geschickt, aber offensichtlich für Jennifer bestimmt. Dieselbe Handschrift, dieselbe leidenschaftliche, direkte Redeweise. Die Worte lösten tief in ihrem Innern ein Echo aus. Die geschilderten Ereignisse, an die sie sich zwar nicht erinnern konnte, hatten einen Nachklang wie die Vibrationen einer großen Glocke, die schon längst zu läuten aufgehört hat.
    Alle Briefe waren nur mit »B« unterschrieben. Jennifer hatte sie immer wieder gelesen, bis sich die Wörter in ihre Seele eingeprägt hatten.
    Liebste,
    es ist vier Uhr morgens. Ich kann nicht schlafen, da ich weiß, dass er heute Abend zu dir kommt. Es ist die Straße der Verdammnis, aber ich liege hier und stelle mir vor, dass er neben dir liegt, sein Freibrief, dich zu berühren, dich in den Armen zu halten, und ich würde alles dafür tun, mir diese Freiheit zu eigen zu machen.
    Du warst so wütend auf mich, als du mich im Alberto’s beim Trinken ertappt hast. Du hast es als Schwäche bezeichnet, und ich fürchte, meine Antwort war unverzeihlich. Männer verletzen sich selbst, wenn sie um sich schlagen, und so grausam und dumm meine Worte gewesen sein mögen, ich glaube, du weißt, dass deine Worte mich mehr verletzten. Felipe hat mir gesagt, ich sei ein Narr, als du gegangen warst, und er hatte recht.
    Ich schreibe dir dies, weil du wissen sollst, dass ich mich bessern werde. Ha! Ich kann kaum glauben, dass ich ein solches Klischee von mir gebe. Aber es stimmt. Du lässt in mir den Wunsch entstehen, ein besserer Mensch zu werden. Stundenlang habe ich hier gesessen und die Whiskyflasche angestarrt, und dann, vor knapp fünf Minuten, bin ich schließlich aufgestanden und habe das ganze verdammte Zeug in den Ausguss geschüttet. Ich werde mich bessern für dich, Liebling. Ich will gut leben und wünsche mir, dass du stolz auf mich bist. Wenn uns nur Stunden, Minuten erlaubt sind, möchte ich jede einzelne glasklar in mein Gedächtnis ritzen, damit ich mich in Augenblicken wie diesen daran erinnern kann, wenn meine Seele sich schwarz anfühlt.
    Nimm ihn zu dir, wenn es sein muss, meine Liebste, aber liebe ihn nicht. Bitte, liebe ihn nicht.
    Dein selbstsüchtiger
    B
    Ihre Augen hatten sich bei diesen letzten Zeilen mit Tränen gefüllt. Liebe ihn nicht. Bitte, liebe ihn nicht. Alles war ihr jetzt ein wenig klarer geworden: Sie hatte sich nicht vorstellen können, warum

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